Happy Mondays: "Uncle Dysfunktional"
Nicht nur ein Wunder, dass Shaun Ryder im Jahr 2007 noch am Leben ist, veröffentlicht er mit zwei weiteren Originalmitgliedern – ja, Bez ist dabei – auch noch ein neues Album als Happy Mondays. Die zweite Überraschung: Die schlimmsten Finger der drogenseligen Madchester-Ära blamieren sich nicht. Immer noch in meist seltsam wackeligem Tempo hatschen sie einem synthetischen Funk nach, den sie nach einer ziemlich misslungenen Eröffnungsnummer tatsächlich einholen und bis zum Ende weitgehend durchdrücken. Wer die Band einst im Kennedys live gesehen hat (Pupillen groß wie Golfbälle) hätte darauf nicht gewettet. (Sequel/Edel)

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Happy Mondays

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Sonic Youth: "Daydream Nation"
Eine Art Klassiker, eine Art Blaupause und neben dem Werk von Hüsker Dü zur selben Zeit ein Wegweiser in die nahe Zukunft, in der die Zusammenführung von Lärm und Melodie, von brachialer Emotion und Schönklang Weltkarrieren zeitigen sollte, wurde eben in einer Deluxe-Version wiederaufgelegt. "Daydream Nation", das letzte Independent-Album der New Yorker Noiserocker Sonic Youth, besticht auch 20 Jahre nach Erscheinen noch, das hier als Bonus dazu gepackte Livekonzert rockt wie Sau – und überhaupt: Gibt’s jemanden, der dieses Album nicht kennt und liebt? (Universal)

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Sonic Youth

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Miss Platnum: "Chefa"
Am Cover lungert sie rum, wie eine neureiche Russin, die sich beim Après-Ski im 20.000 Euro-Nerz langweilt und den Gesichtsausdruck auf Faustwatschen-Großwetterlage verzieht. Miss Platnum aus den eher nicht so glücklichen Gegenden Rumäniens, die heute von Berlin aus agiert, lässt hier räudigen R’n’B moderner Bauweise mit Balkan-Blasmusik und einschlägigen Ethno-Samples kollidieren.: Die umwerfend komischen Texte und Songtitel verdeutlichen nach wie vor einfache Bedürfnisse: "Butter", "Give Me The Food (If You Love Me)", "Sweet Garden" aber auch schon Verdorbenheit: "Mercedes Benz". Großartig! (Sony)

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Miss Platnum

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Lee Moses: "Time And Place"
Die Geschichte von Lee Moses ist eine, bei der Soulfans feuchte Augen bekommen. Er war eine jener Schattengestalten aus der hohen Zeit des Soul, die ein paar Singles und ein Album aufgenommen haben, um schließlich von der Welt weitgehend vergessen zu werden. Lee Moses’ Album, für das im Internetauktionshaus neben Geld noch diverse gesunde Organe geboten werden, wurde nun erstmals auf CD aufgelegt – um obligatorische Singles erweitert. Es ist Deep Soul, wie man ihn tatsächlich selten hört. Zusammengehalten vor allem von der Gott und den Teufel beschwörenden Stimme Moses', operiert eine Band oftmals in gehöriger Schräglage am offenen Herzen und setzt neben elementaren Emotionen auch gehörig Funk frei. Der Bringer im Wiederentdeckungsfach.

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Audio Center

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Traveling Wilburys: "The Collection"
Auf der hier beiliegenden DVD sagt Tom Petty zu Roy Orbison: "You must be the best singer in the world". Worauf dieser meint: "Yeah". Davon kann man sich zumindest auf der ersten der beiden Alben überzeugen, die diese hässlichste Supergroup aller Tage (Jeff Lynne, Tom Petty, George Harrison, Bob Dylan und eben Gott Roy im 1980er Outfit!) eingespielt hat. Dann hat ein grausamer Gott Orbison abberufen. Damals jedenfalls drückten diese fünf Typen aufs Emotionspedal wie sonst niemand im Mainsteam-Pop und förderten erhebende Songs wie "Handle With Care", das gottvolle "Not Alone Anymore", "Congratulations" oder "Tweeter And The Monkey Man" zutage. Da geht auch heute noch so manche Träne auf Reisen. (Warner)

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Traveling Wilburys

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Turbonegro: "Retox"
Die schwülen Randstein-Rowdies aus Skandinavien veröffentlichen nach zwei prächtig "Small Feces" benannten Raritätensammlungen mit "Retox" wieder ein wahnsinnig wichtiges Album für alle Tunichtgute da draußen, für die sich die Führerscheinprüfung als unnehmbare Hürde erwiesen hat und die dementsprechend angespeist ihr Dasein an der 50ccm-Grenze führen. Mit der roten Nummerntafel als Schandmal am Arsch gibt diese der ewigen Turbojugend verpflichteten Band Vollgas und reißt sich ein paar der derbsten, bösartigsten Riffs aus der Urzeit des Genres aus den Saiten: "Hell Toupée"! :-) (Edel)

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Turbonegro

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Kyuss: "Welcome To Sky Valley"
Nach der eher bescheiden inspiriert heimgespielten Routineshow von Queens Of The Stone Age um Josh Homme in der Wiener Arena, war es wieder einmal an der Zeit sich das zentrale Werk seiner früheren Band anzuhören: Kyuss mit "Sky Valley". Riffs, so schwer wie die drückende trockenen Hitze der Wüste und doch immer genug Kraft im Sack um auch unter diesen Bedingungen voll durchzustarten, machen dieses Album mit diversen psychedelischen Spielerein auch 13 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch zu einem herausragenden Album: Man höre nur "100°", "Demon Cleaner" oder "Odyssey". Nicht nur diese führte Kyuss "far out". (Warner)

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Xiu Xiu: "The Air Force"
Die Band aus San Francisco führt hier ihren Trümmer- und mit Lärm und Elektronik perforierten Pop einmal mehr in irrlichternde Höhen. Nicht nur, dass Jamie Stewart hier wieder glaubwürdig als gelehriger Scott Walker-Schüler durchgeht, erheben aus der liebevoll angerichteten Kakophonie auch immer wieder die süßesten Melodien ihr schäbig Haupt. Keine Schonkost, aber genau deshalb dringend ans Pfadfinderherz am Weg in die Finsternis empfohlen. Zwar anderswo schon im Vorjahr erschienen, hierzulande allerdings erst jetzt im Vertrieb der (Soul Seduction)

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Xiu Xiu

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The Editors: "An End Has A Start"
Nicht ungeduldig sein, die neue Interpol erscheit eh demnächst. Wer es dennoch nicht erträgt, möge die Zeit bis dahin mit dem neuen Album der Editors überbrücken, die sich aufrichtig bemühen, so zu tun, als wäre ihre bei Joy Division und The Psychedelic Furs zusammen gefladerte Musik irgendwie echt. Zugegeben: Gut gefladert ist besser als schlecht selber gemacht, trotzdem – für Publikum älter als 25 und/oder Langzeitgedächtnis hinterlässt das immer einen schalen Geschmack. (Pias/Edel)

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The White Stripes: "Icky Thump"
Das konsequenteste und damit sympathischte Duo im zeitgenössischen Pop heißt ganz klar The White Stripes. Nach dem unentschieden geklungene habenden "Get Behind Me, Satan" meucheln sich Meg und Jack auf "Icky Thump" wieder in alter unbarmherziger Güte durch den Katalog, für den einst Robert Johnston dem Teufel seine Seele verkauft hat. Mit Ausnahme einer Nummer, die schottische Weise mit dem gedudelten Sack, ein gottverdammtes Meisterwerk! (XL/Edel)

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White Stripes

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