Die EU-Kommission verzichtet auf die Einführung von „Schutzklauseln“ im Justizbereich für die neuen Mitgliedern Rumänien und Bulgarien. Diese Schutzklauseln hätten bedeutet, dass die beiden Länder in diesem Bereich nicht an EU-Entscheidungen und Abstimmungen teilnehmen können. Eingeführt werden können die Klauseln bis zu drei Jahre nach dem EU-Beitritt eines Landes, das die entsprechenden EU-Standards noch nicht erreicht hat.

Die Kommission begründet diese Entscheidung mit einem unter dem Strich positiven Entwicklungsbericht, den EU-Justizkommissar Franco Frattini am Mittwoch in Brüssel vorlegte. „Beide Länder haben große Fortschritte gemacht“, sagte er. Es gebe zwar noch viel zu tun, und vor allem die Korruption „auf hohen Ebenen“ sei noch immer ein Problem, doch verdienten die beiden Staaten durch die großen Bemühungen das Vertrauen der Gemeinschaft.

Bulgarien habe eine wichtige Verfassungsreform angenommen, die in Kürze umgesetzt sein werde, sagte Frattini. Daher habe das Land die EU-Vorgaben „im Großen und Ganzen erreicht“. In Rumänien sei die Schaffung einer „Agentur für Integrität“ vom Parlament gebilligt worden, dadurch habe auch dieses Land die Vorgaben „weitgehend erreicht“. Gerichtsentscheidungen dauerten mit drei bis vier Jahren „übermäßig lange“, kritisierte der Kommissar.

Im EU-Parlament herrschte wegen des positiven Berichts Verblüffung. Noch am Montag kursierte eine Vorversion des Berichts in Brüssel, der deutlich schärfere Worte fand und von einem „Stillstand“ der Reformbemühungen berichtete. Frattini gab dies indirekt zu: Es sei das Recht der Kommission, „technische Berichte politisch zu bewerten“ und andere Schlussfolgerungen zu ziehen.

Elmar Brok, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments, kritisierte, die Kommission habe zwar klare Defizite im Justiz- und Rechtswesen sowie bei der Korruptionsbekämpfung festgestellt. „Allerdings hat sie nicht die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen und die in den Beitrittsverträgen vorgesehenen Schutzklauseln aktiviert. Stattdessen beschränkt sie sich darauf, die Entwicklung zunächst bis zum Frühjahr 2008 weiter zu beobachten.“ Dadurch würden auch die Reformanstrengungen in Bulgarien und Rumänien unterminiert, meinte der deutsche Abgeordnete. (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 28.6.2007)