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Der Grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele bezweifelt, dass eine technische Panne die Ursache für den Datenverlust war.

Getty Images/Miguel Villagran
Berlin - Auf massive Skepsis sind die Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums zum Verlust geheimer Berichte über Auslandseinsätze infolge einer technischen Panne gestoßen. Fachleute wiesen am Dienstag darauf hin, dass selbst beschädigte Datenträger von Spezialisten noch gerettet werden könnten. Auch der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Christian Ströbele bezweifelte die Darstellung.

Noch im November 2006 habe er einen Brief von Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert bekommen, wonach der Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestages über Einsätze der Eliteeinheit KSK im Ausland informiert werde, sagte Ströbele der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". "Darin steht keine Silbe davon, dass die Daten weg sind. Deshalb zweifle ich, ob das alles so richtig ist." Möglich sei, dass die Bundeswehr versuche, "Informationen nicht nach außen zu geben".

Eingeräumt

Wichert hatte in einem Schreiben an den Verteidigungsausschuss vom 12. Juni eingeräumt, dass Geheimdienstberichte über Auslandseinsätze der Bundeswehr aus den Jahren 1999 bis 2003 vernichtet wurden. Aufgedeckt wurde die Panne am Montag vom ARD-Politikmagazin "Report Mainz" und von "tagesschau.de". Sie kam ans Licht, als der Ausschuss zur Aufklärung des Falls Murat Kurnaz Unterlagen aus dem Datenbestand der Bundeswehr aus dem Jahr 2002 anforderte.

Verschwunden sein sollen der "Berliner Zeitung" zufolge auch Berichte, die das "Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr" aus einem US-Geheimgefängnis im bosnischen Tuzla erhalten habe. An Verhören in Tuzla seien zumindest im Jahr 2001 auch Offiziere des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) widerrechtlich beteiligt gewesen, schrieb die Zeitung unter Berufung auf einen BND-Bericht. Mit Hilfe der verschwundenen Bestände hätte sich klären lassen, wer beteiligt war und wer davon wusste, zitierte das Blatt einen Sicherheitsexperten: "Dass die Informationen weg sind, dürfte einige Verantwortliche von damals erleichtern."

"Riecht nach Vorsatz"

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom sagte der Zeitung, es wäre nicht nötig gewesen, die beschädigten Datensätze zu zerstören: "Es gibt das Bundeskriminalamt und einige hochspezialisierte Firmen, die seit langem in der Lage sind, beschädigte Datenträger zu retten und zu rekonstruieren." Dass dies offenbar nicht geschehen sei, "riecht nach Vorsatz".

Zweifel äußerte auch der Leiter der Datensicherung im Hochschulrechenzentrum der Freien Universität Berlin, Bernd Melchers. "Alles, was fehlerfrei auf Bandkassetten geschrieben wurde, kann man innerhalb von 20 Jahren auch wieder auslesen", zitiert ihn "Report Mainz" auf seiner Website. "Selbst wenn Herr Wichert die Bänder aufgegessen hätte, würden professionelle Datenrettungsunternehmen nach der Verdauung den Inhalt wieder herstellen können." Zudem sichere jeder Profi in zwei Kopien.

Wichert erklärte in dem Schreiben an den Ausschuss, die Daten seien "auf Grund der Speicherkapazität des Datensicherungsroboters jedoch nur einmal abgelegt" worden. Weitere Sicherungskopien seien nicht realisierbar gewesen. Der Datensicherungsroboter habe nach der Archivierung einen technischen Defekt erlitten und sei Ende 2004 durch ein Austauschgerät ersetzt worden. Beim Versuch, die Daten darauf zu übertragen, sei festgestellt worden, dass ein Teil der Bandkassetten nicht mehr lesbar gewesen sei. "Der Versuch, diese Kassetten in einem Ersatzgerät auszulesen und somit die Daten wieder zugänglich zu machen, scheiterte", schreibt Wichert. Entsprechend den Vorschriften seien die nicht mehr lesbaren Kassetten am 4. Juli 2005 vernichtet worden. (APA/AP)