Wien - Derzeit fallen die höchstrichterlichen Urteile im Wochentakt. Am Freitag der Vorwoche erst hatten die Herren vom Wiener Judenplatz das Geschwindigkeitsmesssystem Section Control als nicht verfassungskonform beanstandet. Am gestrigen Freitag war die Schenkungssteuer dran. Die Verfassungsrichter stützen sich in ihrem Erkenntnis (so werden die Entscheidungen des VfGH genannt) darauf, dass auch die Schenkungssteuer, ähnlich wie die bereits aufgehobene Erbschaftssteuer, auf Basis eines historischen Einheitswertes eingehoben wird.

Was man aus so einem Erkenntnis nicht ablesen kann: Wie arbeitet der VfGH? Wie hat der einzelne Richter abgestimmt? Und: Ist der Verfassungsgerichtshof wirklich so politisch, wie es ihm jene gerne vorwerfen, die von seinen Entscheidungen vielleicht unangenehm betroffen sind?

Unpräzise Gesetze

"Dass er politisch relevante Fragen zu klären hat, ist selbstverständlich", meint dazu der Präsident des Höchstgerichts, Karl Korinek. Allerdings: "Wenn man es als parteipolitisch meint, ist es falsch." Und "wenn gemeint ist, der VfGH versucht Politik zu machen, würde das auch bedingen, dass er einen Plan zur politischen Gestaltung hätte". Im STANDARD-Gespräch sagte Korinek: "Dass der Effekt oft politischer wird, als wir das gerne hätten, hängt oft mit unpräzisen gesetzlichen Formulierungen zusammen."

Der Entstehungsprozess von politischen Knalleffekten (etwa die 2003 geortete Verfassungswidrigkeit des neu organisierten Hauptverbandes) oder von trockenen Spezialfällen ist immer komplex. Mitunter länger als langwierig. Und gelegentlich auch von Emotionen begleitet. Die drehen sich jedoch laut Korinek weniger um Inhaltliches, als vielmehr um "prozessuale Fragen".

Am Anfang steht der Antrag

Rein formal steht am Beginn jedweden verfassungsrichterlichen Schaffens ein Antrag. Der VfGH wird nie von sich aus tätig. Sobald der Antrag einem Referenten zugeteilt ist, führt dieser ein Vorverfahren. Dabei erarbeitet er ein oder mehrere Argumentationslinien, die seiner Ansicht nach den juristischen Weg weisen. Die Kollegen begehen die - stets geheimen - Beratungen mit einer Herangehensweise der Art "schauen wir einmal, ob das wirklich so geht". Wer bei den - mitunter öffentlichen - Verhandlungen der Höchstrichter einmal dabei war weiß: Hier sitzen einander vierzehn bestens qualifizierte, rhetorisch gewandte Persönlichkeiten gegenüber. Wenn ihnen jemand blöd kommt, können sie auch ganz schnell ganz kleinlich werden.

Von öffentlichen Verhandlungen wie etwa in Deutschland halten die Verfassungsrichter wenig. Präsident Korinek befürchtet: "De facto gäbe es dann wahrscheinlich vertrauliche Besprechungen und die Ehrlichkeit der Diskussion würde leiden."

Dass Politiker mitunter anrufen und fragen "wann werdet ihr denn das behandeln", findet Korinek "legitim". Und während in den späten siebziger Jahren schon einmal etwas konkreter nachgefragt wurde, kämen heute Interventionen in der Sache "praktisch nicht vor." (Karin Moser, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.6.2007)