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Sicher gibt es im erweiterten Einzugsbereich des Pop noch größere Sturschädln, noch unbeirrbarere Figuren als ihn, aber keiner dürfte dermaßen etabliert sein wie Steve Albini. Und zwar in einem Geschäft, das er zutiefst verachtet, dem Musikbusiness. Doch Albini, der von sich behaupten darf, ein paar der zentralen Popalben und Bands der vergangenen 20 Jahre aufgenommen zu haben - Pixies, Nirvana, PJ Harvey, Blues Explosion, Mogwai, Zeni Geva, The Breeders, The Jesus Lizard, Fugazi, Slint, Page And Plant, Joanna Newsom ... -, bewahrt trotz dieses Zwiespalts seine persönliche Integrität. Das bedeutet, dass er versucht, sich von den Businesstypen (Manager, A&R-Typen...) weit gehend fern zu halten und nur mit Musikern zu arbeiten - am liebsten mit solchen, hinter denen keine Major-Firma steht.

Neben diesem Hauptbroterwerb betreibt diese in der amerikanischen Provinz aufgewachsene und in Chicago lebende Ausnahmeerscheinung eine eigene Band. Nach der brutalen, mit zwei Gitarren, Bass und Drum-Maschine angetretenen Formation Big Black (die er 1987 auflöste, weil sie zu erfolgreich wurde!) sowie der kurzlebigen Rabiatperle Rapeman rief er 1992 Shellac ins Leben, um mit diesem Trio (Todd Trainer, Schlagzeug; Bob Weston, Bass; Albini, Gitarre) weiterhin an einer originären Ästhetik zu arbeiten, ohne sich dabei zu wiederholen - na ja, fast halt. Trotzdem erschien diese traditionelle Instrumentierung im Vergleich zu seinen früheren Bands vergleichsweise konservativ.

Im Standard-Interview am Rande des Welser Unlimited-Festivals 2001 meinte Albini darauf angesprochen: "Mir erscheint es im Gegenteil als radikales Statement, sich nicht in die heute vorherrschende, imitierende und sich ewig wiederholende Kultur einzureihen, die von Mode, Politik und Technologie als modern verkauft wird. Wichtiger ist, im Kopf nicht konservativ zu sein und nicht zu tun, was alle machen. Zu sagen, wir sollten Scratches oder Drum-Loops oder vergleichbaren popkulturellen Abfall verwenden, empfinde ich schlimmer als konservativ. Wer Angst vor der eigenen Stimme hat, greift heute zu Fremdmaterial. Das ist feig und wird spätestens in zehn Jahren so lächerlich klingen wie manche Sachen aus den 80ern heute: It's going to be a fucking joke!"

Angst vor der eigenen Stimme hatte der hagere Brillenträger nie, und ihr Brachialeinsatz ist ihr und ihrem Besitzer anzuhören. Dem krächzenden, wie ewig im Stimmbruch klingenden Gesprächspartner ebenso wie dem nach wie vor als Brülltier agierenden Frontmann. Das nun erschienene, erst vierte Album von Shellac, Excellent Italian Greyhound, präsentiert Albini und seine beiden Mitstreiter nicht nur hoch konzentriert, sondern auch ausgeruht wie selten zuvor. Das bedingt nach formal schon auch sehr strengen Stücken auf den Vorgängern nahezu eine gewisse Poppigkeit - immer gemessen an Albini-Maßstäben. Etwa im letzten Song des Albums, Spoke, der nicht nur mit einem netten Jingle beginnt, sondern - bis auf Albinis sich überschlagende Stimme - fast als gerade Rocknummer durchginge. Fast. Denn der klirrende und roh aus den Saiten gerissene Gitarrensound und das in der Mitte einsetzende Bassgewitter belegen dann doch die bis heute wirkende Kraft des Hardcore als einzig akzeptierte Vorgabe im Shellac-Universum. Dazu gibt es den üblichen staubtrockenen und auch Albinis Produktionsarbeiten - Pardon: Aufnahmearbeiten - prägenden Schlagzeugsound. Shellac erlaubt sich kein überflüssiges Gramm Fett, nicht ein Riff zu viel.

Der Spruch, den sich Henry Rollins plakatwandbreit in den Rücken schreiben ließ, ist Shellac Auftrag: "Search and Destroy". Rein in den Song, Knüppel aus dem Sack - und wieder raus. Und wenn Shellac diese Arbeitsweise wie im Opener End Of Radio auf über acht Minuten ausdehnen, dann nur aus reiner Bösartigkeit. Weil: Auch Schadenfreude macht Spaß! (Karl Fluch, RONDO/DER STANDARD/Printausgabe, 22.06.2007)