Selbst ein Alleingesellschafter einer GmbH zählt nach einer neuen OGH-Entscheidung als Verbraucher und nicht als Unternehmer, wenn er nicht gleichzeitig Geschäftsführer ist. Damit verstärkt das Höchstgericht die Rolle des Konsumentenschutzes im Gesellschaftsrecht.

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Ein Kredit an eine GmbH wird durch die Bürgschaften eines Minderheitsgesellschafters (12,6 Prozent) und der Mehrheitsgesellschafterin (62,5 Prozent), die gleichzeitig Prokuristin ist, gesichert. Bei der Rückzahlung des Restkredits wenden beide ein, sie hätten den Bürgschaftsvertrag als Verbraucher abgeschlossen und berufen sich auf die Regeln des Konsumentenschutzgesetzes, vor allem die besondere Aufklärungspflicht des Gläubigers bei Abschluss von Bürgschaften, die von der Bank verletzt worden sei. In einer überraschenden Entscheidung gibt der Oberste Gerichtshof auch der Mehrheitsgesellschafterin Recht (7 Ob 266/06 b vom 14.2.2007).

Verbraucher ist nach §1 Abs 1 KSchG, für wen das betroffene Geschäft nicht zum Betrieb seines Unternehmens gehört. Schon 2002 hat der OGH klargestellt, dass ein geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH kein Konsument ist (7 Ob 315/01a vom 11.2.2002). Andererseits wird nach herrschender Lehre ein GmbH-Geschäftsführer ohne Beteiligung nicht als Unternehmer, sondern als Verbraucher behandelt.

Nein zu Karollus

Umstritten blieb, wann genau GmbH-Gesellschafter als Unternehmer gelten. Martin Karollus hatte 2002 gefordert, dies ab 20 Prozent Beteiligung festzulegen, weil das durch die Beteiligung vermittelte "wirtschaftliche Eigentum" am Unternehmen der Gesellschaft zu berücksichtigen ist.

Im Vorjahr hatte der OGH diese Frage noch offen gelassen (4 Ob 108/06 w vom 9.8.2006). Im jüngsten Urteil lehnte er Karollus’ Ansicht ab: Als Unternehmer könne nur ein Alleingesellschafter – und, was der OGH erneut offen lässt, allenfalls ein Mehrheitsgesellschafter – angesehen werden, der auch Geschäftsführer ist. Im vorliegenden Fall ging die Gesellschafterin trotz Mehrheitsbeteiligung und Prokura die Bürgschaft daher als Verbraucherin ein.

Selbst ein Alleingesellschafter ist demnach ein Verbraucher, solange er nicht auch Geschäftsführer ist. Hier scheint der OGH dem "Konsumentenschutz" zu viel Gewicht beizumessen. Sein Argument, dass der GmbH-Gesellschafter keine "eigene" unternehmerische Tätigkeit verfolgt, trifft nur formalrechtlich zu. Denn Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sind keine typischen Konsumenten. Ihre umfassenden Informations- und Einflussrechte, vor allem das Weisungsrecht an den Geschäftsführer, machen sie eher zum Unternehmer. Hält eine Mehrheitsgesellschafterin die Prokura, dann kann man annehmen, dass sie auch im operativen Geschäft tätig war.

Der Verbraucherbegriff der EU-Verbraucherschutzrichtlinie hätte nicht ihre Einordnung als Konsumentin erfordert, doch der OGH sah sich dem weiteren Verbraucherbegriff des KSchG verpflichtet.

Diese Einschätzung steht in einem Spannungsfeld zur gesellschaftsrechtlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in der dem GmbH-Gesellschafter verstärkt Finanzierungsverantwortung zugemessen wurde. So greifen Anforderungen an die rechtlichen und wirtschaftlichen Kenntnisse und Haftungstatbestände für GmbH-Gesellschafter im Eigenkapitalersatzrecht schon ab einer Beteiligung von 25 Prozent.

Die Einordnung des Gesellschafters als Verbraucher hat auch praktische Folgen bei der Gültigkeit von Gerichtsstands- oder Schiedsklauseln in GmbH-Abtretungsverträgen. Konsumentenschutzrechtliche Inhaltskontrollen werden im Gesellschaftsrecht nun verstärkt Einzug halten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.6.2007)