Bild nicht mehr verfügbar.

Gewalt an der Schule wird nicht nur physisch verübt: Unter Mobbing fällt auch psychischer Terror. Die Opfer melden sich oft nicht oder zu spät. Aus Angst ignorieren auch Mitschüler die Vorfälle.

Foto: APA
Wien/Wr. Neustadt - Ein Schüler geht auf einen Gleichaltrigen los. Er wird geschlagen und verbal verletzt. Seine Mitschüler beobachten das Spektakel, greifen aber nicht ein.

"Angst gibt den Tätern Macht. Das geht sehr leise vor sich. Die Opfer, die ängstlich und unsicher sind, wenden sich zu spät an Erwachsene", meint Christiane Spiel, Bildungspsychologin der Universität Wien. "Die Opfer wachen in der Früh auf und fragen sich: Was wird heute wieder passieren?"

Im Auftrag des Unterrichtsministeriums soll bis Oktober 2007 eine Gesamtstrategie gegen Gewalt an Schulen entstehen. Zur Vorlage liegen Spiel andere Modelle, wie das "Zero-Programm" aus Norwegen, vor. Durch eine Null-Toleranz-Politik konnte die dortige schulische Gewalt innerhalb von drei Jahren um dreißig Prozent gesenkt werden.

"Ministerpräsidenten, Unterrichtsminister sowie Schulpartner sollen ein Manifest gegen Gewalt unterzeichnen", beschreibt Spiel ihre daran angelehnte Vision.

Laut einer aktuellen WHO-Vergleichsstudie unter 28 Ländern ist Mobbing - physische oder psychische Gewalt - in Österreich häufig vertreten. 14 Prozent der elfjährigen Mädchen und 20 Prozent der elfjährigen Burschen waren - nach WHO-Angaben - zwei- bis dreimal im Monat Opfer solcher Attacken. Unter den 13-Jährigen leiden 17 Prozent der Mädchen und 23 Prozent der Burschen unter schulischer Gewalt. Bei den 15-Jährigen sind zehn Prozent der Mädchen und 15 Prozent der Burschen davon betroffen.

"Wir möchten einen Leitfaden geben: Wie geht man mit Tätern und Opfern um?", erklärt Spiel. Wichtig sei es, sämtliche Beteiligte einzubinden. Diese reichen von Polizei über Eltern- und Lehrervertreter, Schulpsychologen und -ärzte bis zu den Unis und Pädagogischen Hochschulen.

"Es gibt bereits Streitschlichtungsprojekte, doch: Je kleiner diese sind, desto mehr verlieren sie sich", betont Spiel. Man wolle versuchen, die Professoren zu entlasten, denn "meist bleibt es nur an einem Lehrer hängen".

Anders am BG Babenbergerring in Wiener Neustadt: Hier sind Schüler die Streitschlichter. Seit 1996 werden sie im Religionsunterricht zu Mediatoren ausgebildet. "Wir haben dieses Modell aus Deutschland aufgegriffen", erklärt Religionslehrer Robert Kamper, Koordinator der Peer-Mediation. Die Probleme mit Gewalttaten an dortigen Schulen hätten sie veranlasst, präventiv zu handeln. "Vielleicht kommt das auch zu uns."

Oft würden die Schüler selbst auf sich aufmerksam machen, erklärt die Mediatorin Isabella Hölbl (18). "Wir sind neutral und erklären zuerst die Spielregeln." Gewährleistet wird die Geheimhaltung, Beschimpfungen sind untersagt und Einander-ausreden-Lassen ist die Regel.

"Natürlich gibt es Streits, die man nicht schlichten kann", erklärt Kamper. "Manches wird von den Mediatoren nicht übernommen. Wenn es sich um Drogenprobleme handelt, wird sofort die Schulärztin zu Rate gezogen." Die Erfahrungen von Hölbl sind jedoch positiv: "Man geht auf die Bedürfnisebene und löst so jeden Streit." (Petra Polak/DER STANDARD Printausgabe, 19. Juni 2007)