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Mehr als 30 000 Rosensorten wurden bereits gezüchtet

Foto: APA/AP/WINFRIED ROTHERMEL

Noch ahnt Hemma F. nicht, dass es demnächst an ihrer Tür klingeln wird. Noch weiß sie nicht, dass dann jemand - es könnte sich zum Beispiel um Ihr Grünzeug handeln - mit frisch geschärften Rosenscheren erwartungsvoll vor ihr stehen wird. Noch ist der Ausgang dieser Expedition unklar, fest steht lediglich das Ziel: ein Schatz, der sich in einem Topf vergraben auf der Dachterrasse befindet, auf der Hemma F. die botanische Artenvielfalt des Amazonasbeckens kultiviert.

Denn irgendwo inmitten dieses anbetungswürdigen Gewuchers gedeiht eine überaus seltene kleine Rose mit Namen "Die grüne Rose der Maria Theresia". Die blüht - Überraschung! - grün und ist im Handel so gut wie nicht aufzutreiben. Folgendes ist nun der Plan: Wir wollen Hemma F. ein Reis dieser Ros' entreißen und mittels Stecklingsanzucht vermehren. Weil: Von Rosensucht Gepackte lassen jeden Genierer fahren, um zu Stoff zu kommen.

Ein Hauch Schönheit

Gerade jetzt im Rosenmonat Juni wird jeder zu irgendwelchen Gefühlsregungen Fähige verstehen, warum. Überall blüht und duftet es aufs Üppigste, und selbst in mickrige, unkrautüberwucherte Vorgärtchen zaubern vernachlässigtste Rosenstöcke einen Hauch Schönheit. Und - wir wollen unbedingt mehr davon. Zum Glück wurden bisher mehr als 30.000 Rosensorten gezüchtet, was uns aus dem Vollen schöpfen lässt - vor allem seit wir wissen, dass man Rosen durch Stecklinge vermehren kann. Ungeahnte, wundervolle Möglichkeiten tun sich hiemit auf.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Gärtnereien sind mit Rosenvielfalt wohl bestückt, weder sie noch die Rosenzüchter werden kommerziellen Schaden erleiden. Doch immer wieder stolpern Auge und Nase über Rosenexemplare, deren Herkunft und Abstammung unklar ist, die man aber trotzdem unbedingt haben will. Was macht man dann?

Ganz einfach: Man schneidet - je nach Duldsamkeit der Rosenbesitzer und Umfang des Stockes - einen bis möglichst viele Rosenzweige ab und transportiert sie mit rauchenden Reifen in den eigenen Garten. Dort schneidet man die Zweige auf drei bis fünf Augen kurz, lässt oben zwei bis allerhöchstens drei Blätter dran und steckt die Dinger tief in lockeren, gegebenenfalls leicht sandigen Boden. Der geeignete Platz dafür befindet sich im Halbschatten. Sodann werden geräumige Glasgefäße, am besten große Gurkengläser, über die Kostbarkeiten gestülpt, zuvor ist natürlich anzugießen. Gelegentliche Lüftungen und regelmäßige Feuchtigkeitsgaben sind quasi der Garant dafür, dass die Röslein anwurzeln, austreiben und im Folgejahr an den Ort ihrer Bestimmung gepflanzt werden können.

"Pauls Himalayan Musk"

Warum nur haben wir das noch nicht gewusst, als wir dereinst irgendwo an der ligurischen Küste vor einer innenhoffüllenden Kletterrosenorgie in Blaulila standen, deren Duft den gesamten Ort einhüllte? Wem ein Rambler bekannt ist, der wie die Edelrose "Mainzer Fastnacht" (Rosen Tantau, 1964) blüht und riecht, aber meterlange Ranken bildet wie der Super-Rambler "Paul's Himalayan Musk" - bitte melden!

Apropos Paul (gezüchtet 1916): Auch der fehlt noch in der Sammlung. Er gehört zu jenen Rosen, denen man sozusagen beim Wachsen zuschauen kann, die innerhalb weniger Jahre ganze Baumriesen durchwuchern und dann mit einer Fülle und Pracht blühen, dass es jeder Beschreibung spottet. Genau so wollen wir das nämlich haben. Und zu diesem Zwecke werden wir demnächst mit fiebrig glänzenden Augen im Prachtgarten der Hannah B. vorstellig werden, wo ein etwa sieben Meter hoher Weißdornbaum unter der Last zartrosa blühender Ranken niederzubrechen droht. Gehört sowieso dringend ein wenig ausgeschnitten, der gute "Himalayan Musk". In ein paar Jahren kann man sich dann ja mit "Maria Theresia" revanchieren - nicht wahr, Hemma? (Ute Woltron/Der Standard/rondo/15/06/2007)