Ein Land, in dem die Gesamtschule kein geringeres Niveau, sondern mehr Druck schafft: Frontalunterricht in Irland.

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Dublin/Graz - In der Debatte um die Gesamtschule, wurde auch Irland als Paradebeispiel genannt. Doch ist dieses System wirklich erstrebenswert?

65 Prozent der Vierjährigen Irlands besuchen einen Kindergarten (Platzmangel gibt es keinen). Nach diesem und der Volksschule kommen alle in die ganztägige "secondary school". In dieser Gesamtschule werden in allen Fächern drei Gruppen gebildet: Die Besten fallen unter die "Honours"; "Pass" ist das normale Level und "Foundation" ist für Leistungsschwache.

"Ein wenig begabter Schüler verschwendet keine Zeit für Dinge, die er nie brauchen wird", betont Sarah Stapleton (16) lobend. Nur Irisch, Englisch, Mathematik und eine Fremdsprache sind verpflichtend, die anderen Fächer wählt jeder Schüler selbst aus.

Am Ende des dreijährigen "junior cycles" wird ein Staatsexamen abgelegt: Dieses läuft in Irland einheitlich ab. "Es lastet viel Erfolgsdruck auf dem Einzelnen", schildert die 16-jährige Kathryn Delany.

Nur wenige Iren verlassen danach mit 15 Jahren die Schule. Viele wählen hingegen das optionale Jahr, in dem Projekte und Persönlichkeitsfindung anstehen. Danach folgen zwei Jahre im "senior cycle" - das Ziel ist, das Staatsexamen zu meistern.

Bis dahin bleibt kaum Platz für Allgemeinbildung oder Projekte, denn es wird stur nach dem Plan für das "leaving certificate" gelehrt: Frontalunterricht herrscht vor.

Hartes Punktesystem

Die Punkte beim Examen sind für das Studium ausschlaggebend. "Ein A1 in einem 'honours'-Fach ist fast doppelt so viel wert wie in 'pass'", kritisiert Kathryn. "Es ist nicht fair, dass die ganze Schulzeit an einem einzigen Examen gemessen wird. Das ist ein unvorstellbarer Druck."

So kommt es dazu, dass Schüler, die Arzt werden wollen, Buchhaltung studieren müssen. "Alles hängt von diesem einen Tag ab, an dem man beweisen muss, dass man den ganzen Stoff der letzten zwei Jahre gelernt und verstanden hat", berichtet Kathryn und führt weiter aus: "Ich fürchte mich jetzt schon davor." Die Punkte können durch längeres Studieren oder eine Wiederholung des Examens aufgeholt werden, für manche ist das aus Zeitgründen nicht möglich.

"Da ist es besser, gleich etwas anderes zu studieren oder in England, wo die Punkteanforderungen oft niedriger sind, sein Glück zu versuchen", meint Sarah.

Im Vergleich mit Österreich ist das Niveau der "honours"-Klassen (auffällig bei der Fremdsprache: meist Deutsch oder Französisch) gering. Nur in den Nebenfächern wird mehr in die Tiefe gegangen.

Positiv allerdings sticht die Ausbildungsrate hervor: 81 Prozent beenden eine Sekundarausbildung, und 60 Prozent besuchen dann höhere Schulen oder die Universität. (Heidi Leonhardt/DER STANDARD Printausgabe, 12. Juni 2007)