Die hochmoderne Kamera klemmt auf einem Autodach, die Scheiben sind dunkel getönt. Ihre elf Linsen blicken nach überall, im 360-Grad-Modus. Wenn der Wagen durch die Straßen fährt, fotografiert sie permanent - alles, was ihr vor die Optik kommt: Frauen ohne Bikini oder Männer vor Strip-Lokalen zum Beispiel. Die Bilder kommen ins Netz. Um Erlaubnis wurde nie gefragt.

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Was klingt wie eine "Big Brother"-Welt in ferner Zukunft, ist schon Wirklichkeit - beim Suchmaschinenspezialisten Google. Mitarbeiter schießen Bilder für den neuen Dienst Street View, den es seit Ende Mai 2007 in den USA gibt. Bot Google bisher Straßenkarten und Satellitenfotos, lässt das neue Angebot Nutzer virtuell durch die Straßen streifen, um sich etwa auf den Urlaub einzustimmen oder die Immobiliensuche zu erleichtern.

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Dabei erfreut der neue Google-Dienst längst nicht jeden, in Internetforen in den USA toben erhitzte Debatten über das Für und Wider. Mary Kalin-Casey aus Oakland (Kalifornien) protestierte als Erste. Sie testete "Street View" und sah plötzlich ihre Katze auf dem Fensterbrett. "Mein Problem ist letztlich die Frage, wo man die Linie zieht zwischen Fotografieren in der Öffentlichkeit und dem Hereinzoomen ins Leben der Menschen", sagte sie der New York Times. "Es ist wie Spannerei", fügte ihr Mann hinzu. In zahlreichen Diskussionsforen im Internet amüsieren sich Blogger bei der fieberhaften Suche nach den witzigsten und kuriosesten Fotos - oft auf Kosten von ihnen fremden Menschen, die identifizierbar sind.

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Für Kevin Bankston, Anwalt der Electronic Frontier Foundation (EFF), hat das mit Spaß nichts zu tun. Seine Stiftung setzt sich für den Schutz der Persönlichkeitsrechte im digitalen Zeitalter ein. "Es ist unverantwortlich, solch ein Produkt zu starten ohne die Identität der fotografierten Menschen mit technischen Mitteln zu verbergen", sagte er dem US-Onlinemagazin "ZDNet News".

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Vor dem Start von "Street View" hatte Google nach eigenen Angaben aber zumindest einige Organisationen wie beispielsweise das "Netzwerk zur Bekämpfung häuslicher Gewalt" gefragt, ob sie Einwände gegen das Fotografieren bestimmter Orte hätten. Außerdem hält der Suchmaschinengigant dagegen, dass man nur Bilder zeige, die auf öffentlichem Grund und Boden entstanden. "Die Szenerie ist nicht anders als jene, die jeder wahrnehmen kann, wenn er die Straße entlanggeht", erläutert Pressesprecherin Kate Hurowitz. Wenn es dennoch Probleme gäbe, könnten die Fotos entfernt werden. Die Webseite habe dafür einen Link.

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Das helfe aber auch nicht, betont EEF-Anwalt Bankston. Denn viele Menschen wüssten gar nicht, dass sie bei "Street View" zu sehen seien. "Und wenn man es herausfindest, dann kann jegliche Verletzung der Privatsphäre schon stattgefunden haben", kritisiert er.

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Dabei ist die Idee des Google-Angebots so neu nicht: Online-Einzelhändler Amazon hatte schon im Jänner 2005 einen ähnlichen Dienst ins Leben gerufen, stellte ihn aber ein Jahr später wieder ein, weil er nach eigenen Angaben nicht in die Firmenstrategie passte. "Street View" soll dagegen wachsen. Noch ist es auf die US-Metropolen San Francisco, New York, Las Vegas, Denver und Miami beschränkt, aber bald sollen auch große Städte in Europa dabei sein. Mit Einzelheiten hält sich Google allerdings noch zurück. (apa/dpa)

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