Freitag-Ware gibt es in Wien bei "Be a good Girl" (1070, Westbahnstraße 5a; )
Freitag

Foto: Der Standard

Ein komisches Gefühl, gibt Markus Freitag zu, sei das schon. Weil ihm gerade ein Wort herausgerutscht ist, das ganz andere Luft atmet als alles, was das Lebensgefühl permanent junger Berufsstädter sonst definiert: Von Freitag will man "cool", vielleicht ja auch "hip" oder "angesagt" hören, wenn er über sein Produkt und sein Image redet. Aber dem 37-jährigen Schweizer entschlüpft dann eben etwas anderes: "Freitag ist ein Klassiker." Und in Zürich, so Freitag, trage ihn jene Klientel, die vor 14 Jahren "Szene" war und die ersten Taschen des Brüderpaares Daniel und Markus Freitag im Wissen, ganz, ganz vorne zu sein, spazieren trug, jetzt. Wieder. "Diese Leute steigen auf die Cool-Diskussion nicht mehr ein. Sie greifen zu Dingen, die sich bewährt haben." Aber das, staunt der Erfinder der Botentasche aus gebrauchten LKW-Planen dann über seine eigenen Worte, klänge jetzt eigentlich unheimlich erwachsen.

Doch das Bobo-Dilemma, dass das, was cool ist, irgendwann halt wirklich jeder hat, und es somit eigentlich nicht mehr cool sein kann, kennt der Erfinder der Umhängetasche aus gebrauchten LKW-Planen. Natürlich. Schließlich ist "Freitag-Taschen-Träger" von Berlin über Hamburg bis nach Wien längst ein Ersatz-Vokabel für "Bobo", also "bourgeois Bohemians": Jeder kennt und jeder hat so etwas. Ein Stück Uniform.

Kofferraumverkauf

Doch als die Gebrüder Mitte der 1990er-Jahre das erste Mal nach Wien kamen, verkauften sie die Taschen aus dem Kofferraum ihres klapprigen Kombis. Und wer dann eine "Freitag" hatte, wurde von denen, die wussten, was das war, ehrfürchtig bestaunt - und so wie bei den (ziemlich zeitgleich erstmals auch per Kofferraum-Privatimport) nach Österreich gebrachten "Lomos" (russische Kompaktkameras, Anm.) war es nicht zuletzt dieser Mythos, der das Produkt rasch zum "Kult-" und danach eben zum Allerweltsprodukt werden ließ.

Aber an der Legende, betont Freitag, habe sich nichts geändert. Ebenso wenig wie an Konzept, Philosophie und Zugang. "Wir sind nur größer und professioneller geworden. Und erwachsener." Und das klingt fast melancholisch.

Denn als alles begann, 1993, wohnten die Brüder Freitag mit Blick auf eine der Hauptausfallstraßen Zürichs. Die beiden Grafikdesigner wollten eine Botentasche entwerfen, wussten aber nicht, was denn ihr Clou sein könnte. Und sie träumten von der weiten Welt, in die draußen vor dem Fenster LKW nach LKW donnerte. An diesem Punkt kam ihnen dann jene Idee, die heute überall kopiert wird: Ein robusterer (und weiter gereister) Packstoff als eine LKW-Plane wäre kaum zu finden, erkannten die Brüder. Und wenn man die gebraucht kauft, wäre das nicht nur billig, sondern auch ein Stück Müllvermeidung. Außerdem wäre dann jede aus der Gebraucht-PVC-Haut geschnittene Tasche ein Unikat.

Verkleinerung des Müllbergs

Die Tasche wurde zum Statement. Der physische Beweis der Lebbarkeit der beiden Leitvokabel der Generation Bobo: individuell und korrekt. "Wir hatten Glück, denn die Begriffe nachhaltig, sozial und umweltbewusst haben uns begleitet", erinnert sich Freitag - und weiß genau, wann er wusste, das richtige Produkt zur richtigen Zeit erfunden zu haben: "Migro (eine Schweizer Handelskette, Anm.) hat uns kopiert. Unter dem Namen ,Donnerstag'." Freitags klagten und gewannen. Und jubelten: "Die kopieren nur, was gut ist."

Freilich: Dass diese - und viele andere, spätere Kopisten - neue Planen verwende(te)n, wurmt bis heute: "Eigentlich war die Idee, dass der Müllberg kleiner werden soll." Aber den abzutragen, haben die Schweizer Brüder ("keine Ahnung, wie viele Freitag-Teile wir schon verkauft haben - letztes Jahr über 150.000.") auch selbst heftig geholfen: Kaufte man Planen anfangs "am Hof einer Spedition einfach mit Handgeld", ist die Akquise längst in der Hand von zwei hauptberuflichen Planenkäufern. "Die stehen alle paar Tage an der Straße und schauen, was vorbeifährt. Und es gibt ein börseartiges System, um den Preis, den wir für Planen in gesuchten Farben zahlen, zu bestimmen."

Auch Reinigung, Entwurf und Fertigung machen die Freitags längst nicht mehr selbst, sondern überlassen das den rund 50 Mitarbeitern ihres Werkes mitten in Zürich. Stattdessen ersinnen sie immer neue Produkte und Hüllen, die man aus alten Planen machen kann. Und haben Zeit, für den mitunter nostalgisch-melancholischen Blick aus dem Fenster: Die Brüder Freitag träumen immer noch von der großen Welt. Auch wenn sie die mittlerweile in der Businessclass bereisen. "Manchmal träumen wir davon, einfach mit dem Nachtzug und einem Koffer voll Taschen loszufahren." Aber einen Kult kann man eben nur einmal erfinden. (Thomas Rottenberg/Der Standard/rondo/08/06/2007)