Der scheidende Wissenschaftsattaché Philipp Steger arbeitet bereits an seinem ersten Roman. Er soll zwischen 1920 und 1970 in Madrid und auf Mallorca spielen.

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Philipp Steger war seit 2000 österreichischer Wissenschaftsattaché in Washington, D. C. Im Gespräch mit Klaus Taschwer zieht er eine Bilanz seiner Arbeit, stellt Vergleiche zwischen den USA und Europa an und verrät, worum es in seinem ersten Roman gehen wird.

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STANDARD: Sie waren in den vergangenen sieben Jahre Wissenschaftsattaché in Washington. Für wie bedeutsam halten Sie diese Stelle, die sich Österreich da leistet?

Steger: Es gibt sicher Jobs, die wichtiger sind. Aber es gibt sicher auch viele, die unwichtiger sind. Österreich und Europa insgesamt haben sich in den letzten Jahrzehnten forschungspolitisch stark an den USA orientiert. Ein guter Grund, in Washington präsent zu sein, liegt sicher darin, sich das US-Wissenschaftssystem aus der Nähe anzusehen.

STANDARD: Was haben Sie in den vergangenen sieben Jahren beobachtet?

Steger: Dass es viele Dinge gibt, die in Nordamerika gut funktionieren. Zugleich sind für mich einige Prämissen des Systems, das wir von den USA übernommen haben, sehr problematisch.

STANDARD: Welche?

Steger: Das nicht mehr nur in den USA dominante Modell der Forschungs- und Technologiepolitik besteht im Wesentlichen darin, diese als Subsparten der Wirtschaftspolitik anzusehen. Wenn es darum geht, Geld in die Forschung zu investieren, dann wird rein zweckorientiert argumentiert. Und alles dreht sich um den Output.

STANDARD: Ist das so schlimm?

Steger: Ich halte dieses Primat der Wirtschaftspolitik für bedenklich. Denn die Forschungspolitik ist dadurch quasi zum verlängerten Arm der Wirtschaftspolitik geworden. Das mag in gewissen Bereichen sinnvoll sein und hat sicher auch geholfen, mehr Geld in die Wissenschaft zu pumpen, aber heute ist es so, dass alles, was sich nicht in dieses Denkschema pressen lässt, wesentlich weniger zählt. Also insbesondere auch die Geistes- und Sozialwissenschaften ...

STANDARD: ... die ja auf Englisch nicht unter "Science" laufen ...

Steger: Richtig. Immer wenn ich in den USA erwähnte, dass ich ein Doktorat aus Politikwissenschaft habe, sorgte das eher für Enttäuschung. Das zählt dort nicht wirklich.

STANDARD: Und was kann man sich von den USA abschauen?

Steger: Es ist vor allem diese Kraft der Selbsterneuerung, die mich im Innovationsbereich immer wieder beeindruckt. Wichtiger als alle Technologieprogramme ist dabei die offene Einwanderungspolitik der USA und die Diversität auch und zumal an den Universitäten. Dazu kommt, dass sowohl Frauen als auch der Nachwuchs dort einfach mehr Chancen und Möglichkeiten haben.

STANDARD: Warum ist das so?

Steger: Das liegt vor allem daran, dass die Hierarchien anders und vor allem flacher sind. Altershierarchien sind weniger bedeutsam. Wenn ich mit Forscherinnen aus Österreich rede, warum sie in den USA arbeiten und nicht in Österreich, dann nennen sie zuerst die andere Arbeitskultur, die vor allem darin besteht, auch von den älteren, arrivierten Professoren als Kollegen akzeptiert zu werden. Es ist einfach ein durch und durch meritokratisches System. In Österreich ist das nicht unbedingt überall der Fall.

STANDARD: Wie viele österreichische Forscher gibt es denn im Moment in Nordamerika?

Steger: Ich schätze, dass es im Moment rund 2500 sind. Wir haben Kontaktdaten von 1100 Leuten, von denen in der Zwischenzeit 300 wieder zurückgekehrt sind.

STANDARD: Lässt sich daraus womöglich ein Trend "zurück nach Österreich" ablesen?

Steger: Nein, denn die meisten gehen doch mit dem Ziel nach drüben, nur drei oder vier Jahre in Nordamerika zu forschen und danach wieder nach Österreich zurückzukehren.

STANDARD: Aber etliche bleiben doch. Wie könnte man die am besten zurückholen?

Steger: Also ich bin kein großer Freund solcher Rückholaktionen. Wenn diese Leute an den österreichischen Unis entsprechend attraktive Karriereperspektiven hätten, dann würden sie sicher zurückkommen. Insofern denke ich mir, dass jeder Cent, der in solche Rückholaktionen geht, viel besser in die Forschung investiert wäre - zumal dann Österreich auch für andere Forscher aus allen Teilen der Welt interessanter würde.

STANDARD: Wie schätzen Sie denn die Attraktivität Österreichs als Forschungsstandort ein? Hat sich da in den letzten sieben Jahren etwas verändert?

Steger: Ich denke, dass die Wissenschaft in Österreich in den vergangenen sieben Jahren recht gut verwaltet wurde - mit Ausnahmen wie Seibersdorf, wo wichtige Management-Positionen augenscheinlich nach parteipolitischen Kriterien besetzt wurden. Die Universitäten befinden sich im Moment in einer schwierigen Phase, und die muss man jetzt in Ruhe arbeiten lassen. Was völlig fehlt, ist der große Wurf.

STANDARD: Was meinen Sie damit?

Steger: Ein großer Wurf war das IMBA, das schon unter Caspar Einem auf Schiene gebracht wurde. Was ein großer Wurf werden könnte, ist das ISTA. Nur: Beide Institute sind rein naturwissenschaftlich ausgerichtet. Was völlig fehlt - und das halte ich angesichts von Österreichs Tradition für ein Versäumnis - ist eine ähnliche Einrichtung für die Human- und Geisteswissenschaften. Damit könnte sich Österreich wirklich international profilieren.

STANDARD: Sie werden sich in Zukunft ganz aus dem Bereich der Wissenschaftspolitik zurückziehen. Warum eigentlich?

Steger: In erster Linie, weil mir Literatur zwischenzeitig ein wichtigeres Anliegen ist und ich mich ausschließlich darauf konzentrieren will. Und im Übrigen ist die Forschungs- und Technologiepolitik übermanagt. Beispiel Alpbacher Technologiegespräche: die Zahl der Teilnehmer stieg seit 1999, als ich das erste Mal mit dabei war, exponentiell an.

Es scheint ja fast so zu sein, als würde das Ziel sein, in Zukunft einen Manager pro Forscher zu haben. Ähnlich schaut es in der EU aus. Die zunehmende Bürokratisierung von Forschung auf europäischer Ebene wird von den Amerikanern vielfach belächelt.

STANDARD: Sie werden in den nächsten Jahren als Schriftsteller arbeiten. Wird da Wissenschaft eine Rolle spielen - ähnlich wie bei Michael Crichton?

Steger: Eher nicht. Allenfalls indirekt, denn die Frage des technologischen Fortschritts und seiner Folgen beschäftigt mich nach wie vor stark, wobei ich schon eine skeptischere Position vertrete als die meisten meiner jetzigen Kollegen.

STANDARD: Worum wird es im ersten Buch gehen?

Steger: Der Roman, an dem ich arbeite, spielt zwischen 1920 und 1970 in Madrid und auf Mallorca. Und für die Recherchen werde ich jetzt einmal mein Spanisch aufbessern und Mallorquinisch lernen.

STANDARD: Wie können Sie sich das leisten? Haben Sie gut verdient?

Steger: Sie scherzen! Als Diplomat verdient man zwar nicht schlecht, aber bei Gott nicht so, dass man sich da viel zurücklegen könnte. Nein, ich habe eine sehr großzügige Frau, und wir haben ausgemacht, dass sie in den nächsten vier Jahren für den gemeinsamen Unterhalt sorgen wird. Ich kann mich ganz dem Schreiben widmen und darauf verzichten, in den nächsten vier Jahren wichtig zu sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 6. Juni 2007)