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Rewe-Chef Wutscher: "Wir sind im internationalen Vergleich kleine Pimperln."

Foto: APA/Parigger
STANDARD: Sie wurden einst als möglicher Landwirtschaftsminister gehandelt. Ist die Privatwirtschaft denn um so vieles reizvoller?

Wutscher: Fremd ist mir diese Welt ja nicht. Ich hatte neben der Tätigkeit als Generalsekretär im Lebensministerium immer wirtschaftsbezogene Jobs. Ich will die andere Seite genauer kennen lernen und meine Erfahrungen einbringen.

STANDARD: Rewe erlebte einen rasanten Wechsel im Vorstand. Ist Ihr Job ein Schleudersitz?

Wutscher: Die Diskussionen der Vergangenheit kann ich nicht beurteilen. Ich werde die Aufgaben, die mir der Aufsichtsrat stellt, bewältigen. Angst wäre dafür ein schlechtes Rezept.

STANDARD: Künftig muss der Österreich-Vorstand direkt an Rewe-Chef Alain Caparros berichten. Ist das nicht eine Entmachtung Österreichs?

Wutscher: Wir sind ein Dreiervorstand eines internationalen Unternehmens. Wir haben unsere Konzernvorgaben, sind aber im Geschäft autonom. Und das wird so bleiben. Meine Bestellung ist ein Signal, dass sich der Handel ändert. Statt reiner Preisdebatten werden andere Themen diskutiert, etwa Ernährungspolitik.

STANDARD: Der Handel hat Kunden jahrelang mit Schleuderpreisen suggeriert, dass Qualität billig ist. Wie entkommen Sie dieser misslichen Lage?

Wutscher: Es war lange Zeit das Ziel, dass Konsumenten hochwertige Lebensmittel günstig kaufen können. Diese Entwicklung kann man heute als falsch darstellen, auch wenn sie in Österreich nicht so extrem war wie etwa in Deutschland. Fakt ist, dass ein Wandel eintritt.

STANDARD: Die Rohstoffpreise steigen. Werden Sie den Lieferanten mehr bezahlen?

Wutscher: Höhere Preise ziehen steigende Produktion nach sich. Der Handel wird sich die gesamte Produktkette genauer ansehen müssen. Wir brauchen gewisse Standards und Qualitäten und garantieren – etwa bei Biogetreide – gewisse Abnahmen und Preise. Dafür sind wir für langfristige Partnerschaften bereit. Das ist ein neues Denken, da gibt es noch viel Spielraum.

STANDARD: Rewe setzt die Industrie massiv unter Druck. Leistungen ohne Gegenleistung sind Praxis. Verdient der Handel so schlecht, dass er sich das Geld von den Lieferanten holen muss?

Wutscher: Die Diskussion hat eine Schlagseite. Wir sehen uns selbst mit extrem großen Lieferanten konfrontiert. Auch Rewe musste _lernen, damit umzugehen. Unsere Marge ist mit 3,08 Prozent Umsatzrendite knapp bemessen. Sie sehen, wie gering unser Spielraum ist. Wir werden uns aber um faire Diskussion bemühen.

STANDARD: Viele sehen im Rewe-Einstieg bei Adeg ein Beschaffungskartell, die Marktkonzentration steigt. Jetzt fordert auch Brüssel Auskunft.

Wutscher: Wir haben alle Fragen beantwortet und hoffen, dass wir vor Sommer eine Antwort bekommen. Wir haben alle Verträge offengelegt, ich gehe von einer fairen Behandlung aus.

STANDARD: Alain Caparros hat Interesse an den Adeg-Großhandelsmärkten gezeigt. Kaufen Sie erneut zu? Was sagt die Kartellbehörde dazu?

Wutscher: Das ist derzeit kein Thema. Cash & Carry ist für uns ein neues Thema. Das wäre jedenfalls eine komplexe Herausforderung.

STANDARD: Wie viele Artikel der Rewe stehen bei Adeg mittlerweile in den Regalen?

Wutscher: Das ist ein laufender Prozess und hängt davon ab, wie viel Kaufleute bestellen.

STANDARD: Adeg will 2008 die Rückkehr in die Gewinnzone schaffen. Ist das realistisch?

Wutscher: Das kann ich nicht beantworten. Bekannt ist, dass die Situation nicht rosig ist.

STANDARD: Spar und Rewe sind seit Jahren auf erbitterten Zweikampf fixiert. Wurden dadurch internationale Entwicklungen verschlafen?

Wutscher: Ich habe ein unbelastetes Verhältnis zum Mitbewerber und sehe das sehr entspannt. Es ist jedenfalls nicht sinnvoll, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Wir sind im Vergleich zu internationalen Mitbewerbern ja kleine Pimperln. Tesco etwa investiert heuer drei Milliarden Euro.

STANDARD: Wie geht es mit "Ja! Natürlich" weiter? Bio-Ware wird weltweit herbeigekarrt, die Qualität sinkt. Läuft da nicht etwas falsch?

Wutscher: Das sehe ich genauso. Aber es ist unbestritten, dass "Ja! Natürlich" starken Anteil daran hat, dass Bio überhaupt so bekannt wurde. Jetzt müssen wir aufpassen, dass es zu keinen Trittbrettfahrern kommt. Die Debatte um China als Biolieferant sehe ich gelassen. Kein mündiger Konsument kauft Bioprodukte, die aus exotischen Destinationen kommen.

STANDARD: Jobs und Lehrstellen in Supermärkten haben ein schlechtes Image. Stört Sie das?

Wutscher: Wir bieten viele Jobs, der Handel erfüllt am Arbeitsmarkt eine wichtige Funktion. Natürlich können wir uns wünschen, dass jeder das Gehalt eines Mittelschulprofessors hat, aber das spiegelt die Realität nicht. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.6.2007)