München - Der nach der milliardenschwere Übernahme des britischen Konkurrenten BOC neu aufgestellte Industriegasekonzern Linde erwägt kleinere bis mittlere Zukäufe. Verkäufe von weiteren Unternehmensteilen seien dagegen derzeit nicht geplant, sagte Unternehmenschef Wolfgang Reitzle vor rund 2.000 Aktionären auf der Hauptversammlung in München. Ausschau nach Zukäufen halte Linde vor allem in Osteuropa und Asien. In den USA sieht Reitzle hingegen kaum Möglichkeiten den Marktanteil zu erhöhen. "Der US-Markt ist schon verteilt. Aus historischen Gründen sind wir dort nur die Nummer vier", sagte Reitzle. Linde strebe aber mit den Zukäufen keine Änderung im Portfolio an.

In den kommenden Jahren will der Linde-Konzern die Früchte seiner Neuausrichtung ernten. "Wir werden in jeder Hinsicht vom Zusammenschluss mit BOC profitieren", sagte der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Reitzle am Dienstag auf der Hauptversammlung in München. Priorität hätten nun die Integration des Zukaufs, der weitere Schuldenabbau und moderates Wachstum aus eigener Kraft. Eine neue Großakquisition sei erst einmal nicht geplant. Die Aktionäre lobten den radikalen Umbau der vergangenen Jahre.

Die kurz- und mittelfristigen Prognosen bekräftigte Reitzle. "So ist es unser erklärtes Ziel, im Geschäftsjahr 2010 ein operatives Konzernergebnis (EBITDA) von mehr als drei Mrd. Euro zu erreichen", sagte Reitzle. Im vergangenen Jahr hat der Konzern der heutigen Aufstellung nach 2,2 Mrd. Euro verdient. Aus dem BOC-Zusammenschluss erwartet Reitzle ab 2009 jährliche Kosteneinsparungen von 250 Mio. Euro. Für das laufende Jahr kündigte der Vorstandschef erneut eine weitere Umsatz- und Ergebnisverbesserung an.

Wenig Kritik bisher

Die Aktionäre äußerten nur wenig Kritik. "Die Übernahme von BOC wurde gut geschultert", sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Willi Bender von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) sagte, BOC-Unternehmensteile und die eigene Gabelstapler-Sparte seien zu höheren Preisen als erwartet verkauft worden. Dies sei eine "hervorragende Managementleistung".

Kritisch äußerten sich Bender und andere Anteilseigner zu der vorgesehenen Erhöhung der Aufsichtsratsvergütung. Der Fixanteil soll von 35.000 Euro auf 50.000 Euro im Jahr erhöht werden. Zusätzlich soll die Obergrenze für den variablen Anteil gestrichen werden. Aufsichtsratschef Manfred Schneider verteidigte den Schritt. Die Aufgaben seien in den vergangenen Jahren gewachsen, zudem seien gute Aufsichtsräte gefragt. "Eine attraktive Vergütung des Aufsichtsrats liegt im originären Interesse der Linde AG und ihrer Aktionäre." Auf Basis der neuen Regelung hätten die Linde-Aufsichtsräte im vergangenen Jahr etwa zehn Prozent mehr verdient. Auf Grund der alten Regelung lag die Gesamtvergütung des Aufsichtsrats im vergangenen Jahr bei 1,9 Mio. Euro.

Aktionärsschützer Bender begrüßte, dass Reitzle dem Linde-Konzern auch künftig vorsteht. Für Unruhe im Konzern hatten in den vergangenen Monaten Spekulationen über einen Wechsel Reitzles zum Siemens-Konzern gesorgt. Reitzle hatte Siemens aber Mitte Mai eine Absage erteilt. (APA/dpa)