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Bei der Geiselnahme in der Bawag wurden wieder Rufe nach einem Presserat laut, als eine Zeitung den mutmaßlichen Täter während des Überfalls in der Bank anrief.

Foto: APA/Schlager
Rund fünf Jahre nach dem Ende des Presserates starten die österreichischen Printmedien nun einen neuen Anlauf zur Medien-Selbstregulierung. Auf Initiative des Vereins der Chefredakteure wurde im Rahmen des Projekts Selbstkontrolle vom Medienhaus Wien die Leseranwaltschaft eingerichtet. Basis der Leseranwaltschaft, die in dieser Woche ihre Arbeit aufnimmt und der renommierte Journalistinnen und Journalisten angehören, ist der Ehrenkodex der österreichischen Presse. Dieser mahnt von Journalisten, Herausgebern und Verlegern die Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit und Korrektheit bei Information und Kommentierung ein.

Fungiert als Mediator

Die neue Leseranwaltschaft versteht sich nicht als Rechtsberatung, "sondern beobachtet im Rahmen der Selbstkontrolle die Einhaltung des Ehrenkodex und bietet jenen Hilfe an, die sich von möglichen Verletzungen des Ehrenkodex durch Printmedien betroffen wähnen", heißt es auf der Homepage des Gremiums. Man sieht sich "in erster Linie als Mediator zwischen Beschwerdeführer und dem betreffenden Printmedium". Von den Medien erwartet sich die Leseranwaltschaft "Achtung vor der Wahrheit, Wahrung der Menschenwürde, Achtung von Intimsphäre und Privatleben sowie strikte Vermeidung von Pauschalverdächtigungen und Diskriminierungen".

Das Team des neuen Selbstkontrollorgans bilden Alfred Payrleitner, derzeit "Kurier"-Kommentator und vormals langjähriger Hauptabteilungsleiter und stellvertretender Chefredakteur im ORF-Fernsehen, Sylvia Wörgetter, stellvertretende Leiterin des Innenpolitik-Ressorts der "Salzburger Nachrichten" sowie Wolfgang Mayr, der zuletzt als Chefredakteur der APA - Austria Presse Agentur tätig war. Die Medien-Juristin Julia Sokol übernimmt die Fachberatung, Elisabeth Horvath, freie Journalistin, Buchautorin und Vizepräsidentin des Presseclubs Concordia, leitet die Clearingstelle der Leseranwaltschaft.

Widerstand von Journalistengewerkschaft

Als "Etikettenschwindel" bezeichnet die Journalistengewerkschaft die neue Leseranwaltschaft. "Mit einer Selbstkontrolle hat dieser Verein nichts zu tun", so Gewerkschaftsvorsitzender Franz C. Bauer am Dienstag in einer Aussendung. Die Journalistengewerkschaft würde eine von Regierung oder Parlament geschaffene gesetzliche Regelung zur Medien-Selbstkontrolle der Leseranwaltschaft vorziehen, ließ Bauer durchklingen.

"Wenn die Chefredakteure der Öffentlichkeit vorgaukeln wollen, dass es ab sofort eine Selbstkontrolle gibt, dann provozieren sie damit eine gesetzliche Regelung, die jedenfalls demokratischer wäre als diese obrigkeitliche so genannte Leseranwaltschaft", meinte der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft wörtlich. Eine wirksame Selbstkontrolle bedürfe der Mitwirkung aller Betroffenen, also der Verleger und der Journalisten, damit sie über die erforderliche demokratische Legitimation und eine entsprechend breite Akzeptanz verfüge.

Regelwerk als Druckmittel

Die Chefredakteure sollten jedenfalls "ihre Finger vom Ehrenkodex lassen", warnte Bauer. Dieser sei nämlich Teil des Kollektivvertrags. Ausschließlich die Sozialpartner könnten diesen gültig auslegen oder ändern, sonst sei zu befürchten, dass das Regelwerk von den Chefredakteuren als Druckmittel gegen Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werde. Der Ehrenkodex sei "nicht die Spielwiese der Chefredakteure oder von ihnen autoritär bestimmter Vertreter". Sollte die "Chefredakteursrunde" zu "Vorladungen in konkreten Fällen" schreiten, sei "unverzüglich" die Journalistengewerkschaft zu informieren, forderte Bauer Journalistinnen und Journalisten auf.

VÖZ erfreut

Positiv bewertet hingegen der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) den Start der neuen Leseranwaltschaft. Es handle sich um einen ersten wichtigen Schritt, der für eine Weiterentwicklung der Medien-Selbstkontrolle offen ist. Eine mögliche gesetzliche Regelung stößt bei den Zeitungsverlegern auf Widerspruch. "Einen staatlichen Eingriff, wie ihn - fast unglaublich - die Journalistengewerkschaft verlangt, lehne ich nachdrücklich ab, weil er den Druck auf die in Österreich ohnedies belastete Pressefreiheit weiter erhöht", so VÖZ-Präsident Horst Pirker zur APA.

"Die Journalistengewerkschaft sollte ihren restaurativen Zugang aufgeben und zu einer Lösung beitragen, die der besonderen Verantwortung der Journalisten aber eben auch ihrer Freiheit umfassend Rechnung trägt." Pirker erneuerte das Bekenntnis der Verleger für eine "strukturelle Verankerung" der Selbstkontrolle der Medien in Österreich. "Der Verband Österreichischer Zeitungen hat dazu nicht nur den Weg freigemacht, sondern konsequent daran gearbeitet." Der Initiative des Vereins der Chefredakteure sowie den Bemühungen des Medienhauses Wien dankt man im VÖZ ausdrücklich. (APA)