Gruß aus Österreich: die Raab, kurz vorm Zusammenfluss mit der Lafnitz in Szentgotthárd.

Foto: Pro Natura St.Gotthard (Greenpeace)
Szentgotthárd - Das Ding ist ein Kunstwerk. Dass man es nicht gleich als solches erkennt, liegt an der Verwahrlosung. Denkt man sich aber das Gras gemäht und den Platz gepflegt, dann wäre das Ding wohl ein schönes Denkmal aus jener Zeit, da die Nachbarn einander umarmten und voller Rührung in eine gemeinsame, schöne Zukunft blickten: Zwei gegeneinander geneigte, mit Blech ausgeschlagene Rinnen, in der Mitte eine Verbindung, wo die abwärts fließenden Wässer sich vermengen. Würde nicht dauernd das Handy klingeln, dann ließe sich vorstellen, wie Zoltán Woki verträumt die Symbolik der Skulptur erläutert. Aber so, wie es ist - der eng bemessene Zeitplan, das klingelnde Handy, die vielen Schauplätze, die auch alle noch zu besuchen sind -, hat die Symbolik doch etwas Stimmigeres.

Denn wann immer das kleine Telefon läutet, muss Zoltán Woki, einmal auf deutsch, einmal auf ungarisch, den anrufenden Journalisten erläutern, was da los ist im hintersten Winkel sowohl Österreichs als auch Ungarns. Genau hier also, an der so genannten Hottergrenze zwischen Szentgotthárd im Örség und Heiligenkreuz im Südburgenland.

"Uns reicht es", sagt Zoltán Woki dem Standard und dem Handy, dem wichtigsten Instrument der im Herbst vergangenen Jahres gegründeten Bürgerinitiative "Pro Natura Szentgotthárd", kurz Pronas. "Wir verschärfen jetzt den Ton und den medialen Druck." Der Boykottaufruf gegen österreichische Produkte sei zwar nicht ihre Idee, "die kam von einem Internetbetreiber", aber Pronas stehe voll dahinter.

Abgeschasselt Seit sechs Jahren versuchen die Bürger von Szentgotthárd, die Umweltprobleme auf dem Verhandlungsweg aus der kleinen Welt zu schaffen, die aussieht, als wäre sie für den sanften Naturtourismus extra eingerichtet worden. Aber von österreichischer Seite habe man dieser Bemühung nicht einmal die kalte Schulter gezeigt, man sei abgeschasselt worden und fühle sich verarscht. Das i-Tüpfelchen erreichte Woki unlängst mit der Post: eine polizeiliche Strafverfügung wegen einer angeblich nicht angemeldeten Demonstration vor dem Eisenstädter Landhaus.

Diese Demonstration - die sich ausdrücklich auf jene berief, bei der die burgenländische Landesspitze in Ungarn gegen den Plan eines Braunkohlekraftwerkes in der Nähe von Szombathely zu Felde zog - formulierte alle ungarischen Forderungen, die sich freilich mittlerweile zu einem Forderungskatalog summiert haben.

In den Medien, sagt Zoltán Woki, werde immer nur über die Schaumbildung auf der Raab berichtet. Aber das sei nur eine der ekelhaften Konsequenzen österreichischer Ignoranz, die der ungarische Staatspräsident László Solyom unlängst ganz undiplomatisch, aber treffsicher "schamlos" genannt hat. "Durch die Geothermie in Fürstenfeld werden pro Tag zwischen 30 und 70 Tonnen Salz in die Feistritz und damit in die Lafnitz geleitet, die Schornsteine des Biomassekraftwerks und der Faserfabrik Lyocell liegen genau in der Hauptwindrichtung nach Szentgotthárd, und jetzt will der burgenländische Gasversorger in unmittelbarer Grenznähe eine Müllverbrennungsanlage errichten."

Problem Raumplanung

Das Grundproblem dieses nach sechs Jahren nun in die Phase der Eskalation tretenden Nachbarschaftsstreits ist die Unvereinbarkeit der beiden Raumplanungen. Die Region Jennersdorf-Heiligenkreuz findet sich in der mit den Ungarn kaum bis gar nicht abgesprochenen Ziel-1-Planung als Industriezone. Heiligenkreuz war mit der Ansiedelung des Lycoll-Werkes und der Errichtung des Industrieparks die größte Einzelförderung der gesamten Ziel-1-Phase des Burgenlandes. Jenseits der Grenze aber sieht man die eigene Zukunft im Tourismus, wohl auch deshalb, weil das große Opelwerk die einzige nennenswerte Ansiedelung blieb.

Jetzt steht eine neue Therme vor der Eröffnung. Die Raab und die Lafnitz sollen - wie übrigens auch in Österreich - dem Kanuwandern dienen. Auf der Raab will man - mit Unterstützung des internationalen Verbandes - eine wettkampftaugliche Raftingstrecke errichten. "Aber wer", fragt Zoltán Woki nicht zu Unrecht, "will mitten im ekelhaften Schaum paddeln?"

Schaumgebremst

Neben der Therme wurde schon eine Baugrube für ein Hotel ausgehoben. Aber der Betreiber wartet auf das Ende des Nachbarschaftsstreits. Im alten Zisterzienserkloster soll ein weiteres Hotel entstehen. Die Hallen der alten Sensenfabrik - deren Wehr die Raab erst so richtig zum Schäumen bringt - werden demnächst einem neuen, tourismusadäquaten Stadtzentrum weichen.

Nur die Skyline von Szentgotthárd wird weiterhin die alte bleiben. Und das ist, bedauern die Szentgotthárder, leider die von Heiligenkreuz. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD-Printausgabe, 05.06.2007)