Rauris im Salzburger Land.

Foto: Österreich Werbung / Pigneter
"Was Kinder selbst mit ihren Händen tun, lernen sie anders." Und wer einmal auf Roswitha Hubers Kalchkendlalm eine Kuh gemolken hat, der weiß, dass Kühe nicht lila sind. An diesem Tag spielen im Raurisertal mehrere Mütter um 8 Uhr früh Almtaxi, denn heute geht es zur Schule auf die Pinzgauer Alm. Eine 2. Klasse der Volksschule aus Rauris ist zu Gast auf der Kalchkendlalm auf 1200 m.

Roswitha Huber empfängt hier regelmäßig Interessierte aller Altersstufen, gibt Brotbackkurse und Seminare zum Thema "Abenteuer Lebensmittel, von Kräutern bis zum Fleisch". Schon seit zwölf Jahren arbeitet sie an ihrem Projekt "Schule am Berg". Vor zwei Jahren hängte sie ihren Beruf als Volksschullehrerin an den Nagel und konzentriert sich nun voll auf ihre eigene Schule auf der Alm.

Vor der 400 Jahre alten Kalchkendlalmhütte inspizieren die Taferlklassler neugierig den Backofen im Freien und lauschen der Almlehrerin: "Ein Getreidekorn ist die intelligenteste Konservendose der Welt. Sie bewahrt das Mehl auf, und daraus machen wir heute unser Vollkornbrot." Während Roswitha den Backofen erklärt, piepst in ihrer Hosentasche das Handy. Die Almpädagogin ist eine weltoffene Persönlichkeit und weit gereist. Schon zweimal besuchte sie afrikanische Bäuerinnen in Burkina Faso und Ghana und veröffentlichte ihre Eindrücke in einem Buch.

Laibesübungen

Im Nu wissen die Bäckerlehrlinge, was sie zum Brotmachen brauchen: Wasser, Mehl, Salz und Germ. Roswitha braucht keine Waage, keine Knetmaschinen. Gemessen und gewürzt wird mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl. Mit Begeisterung machen sich 30 Kinderhände ans Umrühren, und dann darf der Teig mithilfe der Hefe "gehen wie ein Luftballon", wie es Isabella ausdrückt.

Schließlich werden Schalen mit Leinsamen, Kümmel und Koriander um den Tisch gereicht. Jeder schnuppert an den Gewürzen, krempelt die Ärmel hoch, ein allgemeines Kneten beginnt. Tipp der Backlehrerin: "Immer mit den Handballen kneten." Es folgt das Würzen und Verzieren. Jeder macht sein eigenes Muster. Isabella spickt ihren Teig mit Kürbiskernen "wie einen Igel", Pauli bevorzugt Sonnenblumenkerne, um das eigene Meisterwerk zu kennzeichnen. Denn nun kommen die Laibe in den Ofen, und wenn Roswitha nach etwa einer Stunde die duftenden Laibe hervorholt, tönt ein Chor von Kinderstimmen: "Das ist meines, das meines ..."

Während der Sommerferien wird regelmäßig eine unverkennbare Duftwolke über das Raurisertal ziehen. Jeden Dienstag und Donnerstag heißt es auf der Kalchkendlalm nämlich: "Ich mache mir mein Butterbrot." Da werden Almkühe gemolken, Butter wird gerührt und Brot gebacken. Und bei Terminvereinbarung ist die Almschule ohnehin jederzeit geöffnet. Etwa 9 Euro verlangt Roswitha pro Kind und Halbtag, inklusive Almjause und Brot zum Mitnehmen. Dabei ist sie gut sechs Stunden mit dem Backen von 15 Laiben Brot beschäftigt - vom Anheizen des Ofens bis zum knusprigen Almbrot.

"Das Einkaufen im Supermarkt geht viel schneller, aber was man selbst gemacht hat, schmeißt man halt auch nicht so schnell weg", kommentiert sie ihre Bemühungen. Die frisch gebackenen Senner sehen das offenbar recht ähnlich: "Hmmmm, wie das duftet!" schwärmt Pauli und beginnt schon auf dem Heimweg am Brot zu knabbern. (Doris Maier/Der Standard/Printausgabe/2./3.6.2007)