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Diemeisten Handgriffe erledigen im Kia-Werk in Žilina inzwischen Roboter.

Foto: Reuters/Cerny
Die ersten Hinweise auf die südkoreanischen Gäste finden sich im nordslowakischen Žilina bereits in der historischen Altstadt. "Feinschmecker" wirbt sowohl auf Slowakisch als auch auf Koreanisch für einen Besuch im Restaurant. Wer die Gäste in ihrem derzeitigen Daheim besuchen will, muss in das "Koreanerstädtchen" nach Krasnany fahren. Sechs Kilometer vom Kia-Werk in Žilina entfernt, führt eine unscheinbare Abfahrt mitten in die grüne Wiese. Von Bäumen abgeschirmt wohnen die Kia-Manager auf Zeit in ihren Villen mit Blick auf die derzeit wohl modernste Autofabrik Europas.

Auf fünf Jahre seien die Verträge für die 60 koreanischen Manager anberaumt. "Dann soll die Verantwortung auf Slowaken übertragen werden", erzählt Dušan Dvorák, Unternehmenssprecher im neuen Kia-Werk. Derzeit seien Slowaken höchstens im mittleren Management angesiedelt. Eine Führung durch das Werk, in dem das eigens für Europa entwickelte und von den Koreanern erstmals auch hier gebaute Auto, der Kia Cee’d, vom Band läuft, gleicht einer kleinen Wanderung. Auf dem 223 Hektar großen Betriebsgelände sind weite Wege zurückzulegen. Dreimal pro Tag kommen Reinigungskräfte, die Autoproduktion wird in der Hauptsache von sanft schnurrenden Hochpräzisionsrobotern durchgeführt.

Rote, blaue, gelbe Latzhosen

Die menschlichen Arbeitskräfte – wegen der Zuordenbarkeit zu den verschiedenen Produktionslinien in rote, blaue und gelbe Latzhosen gewandet – üben vielfach nur noch Kontrolle aus. Nach Aufnahme des Probebetriebs im Sommer vorigen Jahres arbeiten hier 2300 Mitarbeiter, um Kias Antwort auf den VW-Golf in Serie zu produzieren. Rund 700 Autos pro Tag verlassen die Hallen. 150.000 sollen es 2007 insgesamt sein. Die volle Kapazität will man 2009 mit 300.000 produzierten Fahrzeugen jährlich erreichen. "Jede Minute wird ein Auto fertig", sagt Dvorák, "20 bis 25 Stunden dauert die Produktion eines Fahrzeugs". Zwei Schichten pro Tag werden gefahren, das Ziel ist die Nonstop-Produktion.

Geforscht und entwickelt wird in Japan, Deutschland, Korea und in den USA. "In der Slowakei kümmern wir uns um die Prozessentwicklung", erklärt Jozef Uhrík, Präsident des Verbands der slowakischen Automobilindustrie. Der Ex-Chef des slowakischen VW-Werks zeigt nur wenig Verständnis für die Frage nach zu großer Abhängigkeit des Landes von seiner Branche: "Wir müssen uns gegen Asien wappnen", sagt er und sieht den west- und osteuropäischen Automobilsektor durchaus in der Lage, auch bei Massenproduktion mitzuhalten: "Indem man gemeinsam konkurrenzfähige Bedingungen schafft."

Zulieferer auch aus Österreich

Das Land profitiert von der Wanderung der Autoindustrie und nachziehenden Zulieferern – rund zehn Prozent kommen aus Österreich. Volkswagen, Porsche, Peugeot und Kia setzen auf gut ausgebildete und immer noch vergleichsweise billige Arbeitskräfte.

Fahrzeuge machen 32 Prozent des slowakischen Exports aus, die Automobilindustrie war stärkster Wachstumsmotor für die slowakische Industrieproduktion im vergangenen Jahr. Im Vorjahr wurden insgesamt 260.000 Fahrzeuge im Land produziert – im Verhältnis zur Bevölkerung werden in keinem Staat auf der Erde so viele Fahrzeuge hergestellt. Und so gilt die Slowakei inzwischen in Anlehnung an die US-Motormetropole als "Detroit Europas". (Regina Bruckner aus Žilina, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.6.2007)