Es gibt nicht viele Städte, in denen Weinfans und Winzer mit der Straßenbahn in die Weingärten fahren können.

Foto: ÖWM/Faber
In den Wirtschaftsbetrieben am Cobenzl bereitet man sich auf die 100-Jahr-Feier im September vor. Seit 1907 gibt es das Weingut Cobenzl, das zu 100 Prozent der Stadt Wien gehört und heute von der MA 49, "Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb", verwaltet wird. Nach dem Dahintümpeln in Zeiten des landwirtschaftlichen Strukturwandels, in denen die Stadt darüber nachdachte, das Weingut zu verkaufen, wurde es auf "neue Füße gestellt" und funktioniert seither "wie jeder andere Weinbaubetrieb", wie Betriebsleiter Thomas Podsednik und Kellermeister Georg Königsbauer sagen.

Zum Weingut gehören 90 Hektar Weingärten, von denen 35 selbst bewirtschaftet werden, der Rest ist verpachtet. Vor allem mit Weißburgunder war man erfolgreich. In den vergangenen sieben Jahren wurde einiges in Erweiterung von Presshaus und Keller sowie in eine Gärsteuerungsanlage investiert. Über die Summe, "die erwirtschaftet werden musste", so Podsednik, hält man sich bedeckt.

Wein ist Teil der Landwirtschaft, die auf 16 Prozent der Stadtfläche stattfindet, und macht das Selbstverständnis der Stadt aus, wie Robert Fitzthum, Direktor der Landwirtschaftskammer Wien, meint. 713 Hektar Weingärten verteilen sich über sechs Bezirke vom Bisamberg im 21. Bezirk über Döbling, Hernals und Ottakring bis in den Süden nach Mauer und Oberlaa in Favoriten. 320 Wiener Winzer leisten rund 400.000 Arbeitsstunden alleine in den Weingärten, was nicht nur dem Tourismus nützt. Die Meriten des Wiener Weins, im Speziellen seiner Ausschank-Institutionen werden in jedem noch so alternativen Reiseführer besungen. Laut Schätzung des Wr. Marktamtes werden rund 70 Prozent der Weinernte, 2006 laut Statistik Austria 18.893 Hektoliter (19.508 hl 2005), über die 135 Buschenschanken vermarktet. Dass Wiener Wein bei Weinbewertungen mit wenigen Ausnahmen nicht immer in der Spitze mitmischte, beunruhigte bis vor einigen Jahre nicht allzu sehr, da die Menge ohne große Mühe beim Heurigen verkauft werden konnte.

Aber das Potenzial ist groß, der Nussberg in Döbling gilt als Gustostück, um das sich heute alles dreht. Treibende Kräfte der Renaissance sind neben neuen, aktiven Winzervereinigungen wie Wien Wein und jenen Betrieben, die trotz Heurigen die Qualitätsausrichtung nicht vergessen haben, auch viele Quereinsteiger.

Auf kleinen Flächen erinnern sie daran, was hier möglich wäre, oder fanden wie der Werber Hans Schmid (Rotes Haus, Mayer am Pfarrplatz) auf Umwegen Gefallen am Wiener Wein und sind bereit und mittlerweile groß genug, um in Zukunft zu investieren und mitzumischen. Auch der Generationswechsel trug einiges bei. Stefan Hajszan etwa eröffnete kürzlich seinen neuen Betrieb im ehemaligen Grinzinger Kurhaus, ein Restaurant mit Einblick ins Weingut. Die Stadt Wien erteilt heute jeglicher Umwidmungsspekulation eine klare Absage, wie Fitzthum erklärt. Bleibt noch Oberlaa, das die rasante Entwicklung noch nicht in dem Maße mitgemacht hat und wo Fitzthum "noch viel Zukunftspotenzial" sieht: Denn die Fluren seien als Weinbauflächen definiert und können bepflanzt werden. (Luzia Schrampf, DER STANDARD - Printausgabe, 31. Mai 2007)