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Ein Revoluzzer mit Lade- hemmung: Justin Timberlake hat sein weichgespültes Image einem Remodelling unterworfen.

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Herausgekommen ist ein Musiker, der seine Hemden, Westen und Krawatten konsequent schlampig trägt. Das nennt man dann Stilikone.

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Keine Frage: Diese Kleidungsstücke sind wohl eher für die jugendliche Fangemeinde als für Justin Timberlake gedacht: Die Jeans sind tief geschnitten und wahlweise mit Schlag oder ohne, die engen T-Shirts haben bunte Aufdrucke, und die Sweatshirts sind bevorzugt in Minzgrün oder Schweinchenrosa gehalten. Justin Timberlake wäre gut beraten, die von ihm co-designten Stücke nicht zu tragen. Sie könnten sein perfekt zusammengezimmertes Image mit einem Schlag wieder zerstören.

Justin Timberlake hat sich längst einen ganz anderen Anstrich verpasst als das Landdisco-Bild, dem die zusammen mit seinem Jugendfreund Trace Ayala entworfene Kollektion huldigt. Seit vergangenem Oktober vertreiben die beiden sie unter dem Label >a href="http://www.williamrast.com"target=_blank">William Rast. Einige Wochen vorher war Timberlakes Album "Futuresex/LoveSounds" erschienen. Dort präsentierte sich ein ganz anderer Timberlake - ein Mittzwanziger, der alles daransetzt, das Attribut "erwachsen" verpasst zu bekommen. Der weichgespülte Teeniestar mit der soften Stimme und dem Kapuzenshirt unter der Lederjacke war einmal.

Zum weißen, sauber gebügelten Hemd, das aus der Hose flattert, trägt Justin jetzt Dreitagebart, Weste und Krawatte, er tanzt im Dreireiher und in Sneakers, trägt Pullunder und Hüte. Das hat weniger mit einer Modelaune des Sängers aus Memphis als mit der Stylistin Joe Zee zu tun. Sie zupfte bereits die Outfits anderer Zeitgenossen wie Brad Pitt oder Lenny Kravitz zurecht, bei Justin Timberlake war es damit aber nicht getan.

Retortengeschöpf mit Strähnen

Dem schmalzigen Bubenbarden verpasste sie eine Totalrenovierung. Sie machte ihn zum Jung-Gentleman, der die Krawatte am liebsten locker trägt, zu einem schlampigen Dean Martin beziehungsweise zu einem förmlichen Johnny Cash. Vom Image, das an Timberlake seit den Tagen klebte, als er in der TV-Sendung "Mickey Mouse Club" gemeinsam mit Britney Spears und Christina Aguilera um die Wette hopste, blieb dabei nichts übrig. Damals und auch in den Jahren danach, als er Frontman beim Bubengesangsverein N\Sync war, war er eines der Retortengeschöpfe mit Strähnchen, von denen es im Popgeschäft zu viele gibt.

Konturen gewann Timberlake durch seinen perfekten Tanzstil - vor allem in der Zeit, als er rund sieben Millionen Platten seines Erstlings "Justified" (2004) verkaufte. Sein Stil war aber auch dann noch eine herzige Mischung aus Muttersöhnchen und Straßenjunge - bis Joe Zee kam und die Lifestyle-Gazetten plötzlich über eine neue Stilikone schrieben.

Nicht, dass das neue Album so umwerfend ausgefallen wäre, es war wohl eher das Timberlake-Gesamtpaket, das den Nerv der Zeit traf. "I\m bringin\ sexy back", singt der Musiker im eingängigsten Song des Albums, und was er damit meint, demonstriert er im dazugehörenden Videoclip. Mit Halstuch und im Dreireiher vollführt er seine Tanzschritte, im Hosenbund eine Pistole, durch das Hemd schimmern die Tattoos und das Ruderleiberl. Hätten die Burschen von Miami Vice tanzen können, das Ergebnis hätte ähnlich ausgesehen.

Muttersöhnchen mit Stilgefühl

Dieser Rückgriff auf die 80er-Jahre-Ikonen kommt nicht von ungefähr. Schon länger hat sich die Männermode ein formaleres Erscheinungsbild zugelegt. Seit Hedi Slimane bei Dior Homme Westen und Hüte zeigte, gehören sie zum modebewußten Bühnenhelden von heute. Justin Timberlake, der ein bekennender Slimane-Verehrer ist, geht allerdings einen weniger radikalen Weg als dies etwa Skandalnudel Pete Doherty tut. Er ist die brave Variante des Bubenpoppers, ein Muttersöhnchen mit Stilgefühl. Bezeichnend ist, dass gerade das französische Modehaus Yves Saint Laurent die Welttournee des Sängers ausstattet. Es steht an der Spitze eines neuen Gentlemen-Trends in der Mode. So ist die kommende Kollektion des YSL-Designers Stefano Pilati eine ganz dem Stil der Achtziger gewidmete Eloge auf den Dandy im Cardigan, und nicht wenige Outfits erinnern direkt an Timberlake. Nur dass dessen schleißiger Umgang mit dem "total look" fehlt.

Womit der Sänger punktet, ist seine perfekt inszenierte Nachlässigkeit. Selten sind seine Westen von unten bis oben zugeknöpft, die Hemden krempelt er nach oben, der Krawattenknoten sitzt locker. Genauso wie in der Musik hat Timberlake seine Stromlinienförmigkeit auch stilistisch aufgebrochen. Verstören wird er damit niemanden - außer man wagt einen Blick auf die von ihm selbst designten Klamotten. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/01/06/2007)