Überlebende - oder doch nur die Reiniger einer Welt, in der Abu Ghraib passieren kann? Beklemmende Performance von "Stan's Café" bei den Festwochen.

Foto: Brown

Wien - Korridore sind unheimliche Orte, die immer wieder als zentrale Raummotive in Horrorfilmen, dystopischer Science-Fiction oder strukturell angelegten Thrillern auftauchen. Der Birminghamer Performancegruppe "Stan's Café" unter der Leitung von James Yarker ist es gelungen, den Korridor absolut glaubwürdig im Theater einzusetzen. Ihre neue Arbeit "The Cleansing of Constance Brown", im Museumsquartier bei den Festwochen zu sehen, lässt das Publikum erst auf eine schwarze Wand starren, vor die eine Frau mit Fotokamera tritt und sagt: "Ich kann Sie sehen!" Uns. Die Zuschauer.

Dann fährt ein Teil der Wand in die Tiefe und gibt den Blick auf einen finsteren, zwei Meter breiten und 14 Meter tiefen Gang frei. Was nun passiert, kann als Geschichtensequenz beschrieben werden, wie der Titel es nahelegt, oder aber besser noch als ein System, das seinen Aufhänger bloß nutzt, um etwas Tieferliegendes darzustellen.

Der Korridor wechselt seine Rollen - einmal ist er als Teil eines Gerichtsgebäudes verkleidet, dann als der eines Mietshauses, eines Bürohauses, eines Hotels oder eines Gefängnisses. Und er ist eine Zeitmaschine zwischen Shakespeare und Beckett. Advokaten und Manager laufen zwischen Büros hin und her, Putzpersonal macht sich zu schaffen, Männer in Schutzanzügen untersuchen den Ort einer Brandkatastrophe, ein Pogrom dräut am Ende des Ganges, jemand muss flüchten.

Wir wissen, dass es außerhalb des Korridors, der Zimmer, Büros und Wohnungen noch ein Draußen gibt, das für unseren Tunnelblick unerreichbar ist. Immer wieder strömt der Hauch dieses Außen durch den Gang, fegt zwischen Mauern durch, hinterlässt Spuren: Hackschnitzel von Aktenvernichtern, Blut an den Wänden oder einfach Dreck, der dann wieder weggewischt werden muss.

Dem Tunnelblick sind wir ausgeliefert. Wir versuchen, etwas von der Wirklichkeit zu erfassen und schauen doch immer nur "in die Röhre".

Was sich außerhalb befindet, bleibt uns zwar verborgen, aber wir ziehen immerhin Schlüsse aus dem, was wir erhaschen. Mit dieser Kombinationsgabe des Zuschauers wird hier virtuos gearbeitet. Worte fallen, aber sie werden von der Musik übertönt, die das brillant "geschnittene" Geschehen zum "Live-Film" und zur Choreografie macht.

Ebenso wichtig wie die Bilder sind die Übergänge dazwischen, etwa wenn sich ein Haufen verkaterter Party-Victims in Gefangene von Abu Ghraib verwandeln, die dann von einem "Blob" wie aus dem Trashfilm von Irvin Yeaworth verschlungen werden. Szenen und Übergänge, Darstellung und Musik bündeln sich zu einem Korridor der Zitate. Es ist untertrieben zu sagen, "The Cleansing of Constance Brown" wäre ein großartiges Stück. Aber Understatement passt zu British, also lassen wir's dabei. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.5.2007)