In Europa, ergänzte sein Freund, sei das möglich - in Afrika nicht: Um seine Familie zu schützen, bitte er darum, namenlos bleiben zu dürfen.
Ulrich hatte für sich und seinen Mann ("de facto sind wir verheiratet") Life-Ball-Tickets aus einem jener Kontingente gekauft, mit denen Europas größte Aids-Charity Publikum von jenseits des österreichischen Szene-Tellerrandes ansprechen will. Grund genug also, die Veranstaltung mit den Augen zweier von 15 Jahren medialer Life-Ball-Hysterie halbwegs unbeleckten "Novizen" zu betrachten.
"So viel Mühe!"
Die Sache mit der Garderobe, stellten Ulrichs gleich zu Beginn fest, hätte schlimmer ausgehen können. Etwa dann, wenn sie Mega-Kostüme gebastelt hätten: Als die beiden - in Leih-Smokings - gegen 19 Uhr den Rathausplatz betraten, stockte zum ersten Mal der Atem: "Unglaublich, wie viel Mühe sich die Leute geben. Die müssen monatelang daran gearbeitet haben."
Was Martin Ulrich und sein Freund da noch nicht wussten: Sie standen lediglich am Nebeneingang. Die wirklich aufwändigen Kostüme aber zogen später vom Ring her ein. Den Hamburgern fielen die Augen aus dem Kopf: "Wahnsinn! Auch wenn man die Bilder kennt: Das ist absolut phantastisch!"
Freilich erlebten die beiden dann auch den Nachteil des Echtzeit-Dabeiseins: Bis sich um 23 Uhr endlich die Tore des Rathauses für 5000 Partygäste (am Platz staunten 30.000) öffnen, "steht man sich die Füße ganz schön in den Bauch". Denn auch wenn jeder Punkt des Ansprachen-, Dank- und Ehrungszeremoniells kompakt gehalten wird, summieren sich die Momente wichtiger Worte: Dreieinhalb Stunden bis zur Modeschau sind lang. Und wenn bei der Show dann - aus Versehen oder Rücksicht auf Anrainer - der Sound eher nicht fetzt, verpufft einiges von jener Stimmung, die Lifeball-Erstbesucher hibbelig herumtrippeln lässt.
Die Botschaft
Egal, meint Ulrich. Denn "die Show war super. Und die Botschaft kam rüber - das ist schließlich auch wichtig. Und wir sind einen Meter neben Sharon Stone gestanden - wo geht das sonst noch?"
Danach kam ein Life-Ball-Standard: 5000 Menschen drängten gleichzeitig durch zwei Tore. Hinein ins Rathaus. Und auch wenn der Fähr-Manager den Hut vor der logistischen Großleistung des ganzen Events ziehe - "da kenne ich mich schließlich aus" -, kam, was kommen musste: Ulrich verlor seinen Mann eine Sekunde aus den Augen. Weg war er. Und bei dem Gedränge, der Hitze und dem Lärm "ist es völlig sinnlos, das Handy zu benutzen - erst recht, wenn man nicht weiß, wo man sich treffen soll".
Doch als der Hamburger schon fast resigniert den Heimweg antreten wollte, stand sein Partner plötzlich vor ihm: Man blieb bis gegen zwei Uhr früh, wälzte sich von Saal zu Saal, staunte, lachte, schoss Erinnerungsfotos ("über 100 Stück") - und wusste trotzdem zuletzt nicht so recht, ob das bunte, laute und überdrehte Treiben in einem - schließlich ja doch - offiziellen Amtsgebäude und seinen Höfen real oder vielleicht doch bloß eine Halluzination (Hitze, Lärm, Enge ...) war.