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Der türkische Staatschef Ahmet Necdet Sezer hat die vom Parlament beschlossene Direktwahl des Präsidenten abgelehnt.

Foto: REUTERS/Umit Bektas
Ankara - Der türkische Staatschef Ahmet Necdet Sezer hat die vom Parlament beschlossene Direktwahl des Präsidenten abgelehnt. Sezer verwies ein Paket mit mehreren Verfassungsänderungen am Freitag an die Abgeordneten zurück, wie die Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi meldete. Die beabsichtigten Änderungen seien "nicht gerechtfertigt" und hätten "keinen hinnehmbaren Grund", erklärte sein Büro.

Sollte das Parlament die Verfassungsänderungen in unveränderter Form ein zweites Mal verabschieden, muss Sezer sie entweder annehmen oder einen Volksentscheid anordnen. Die islamistisch geprägte Regierungspartei AKP hatte die Verfassungsänderungen Mitte des Monats im Parlament durchgesetzt.

Überhastet verabschiedet

Präsident Sezer lehnte die Änderungen auch deshalb ab, weil sie überhastet verabschiedet worden seien, ohne dass das Parlament ausreichend darüber diskutiert habe, wie es in der Presseerklärung hieß. Die geplanten Änderungen würden zu einer "Abweichung vom parlamentarischen System" führen und "weitreichende, nicht wiedergutzumachende Probleme" aufwerfen.

Die AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hatte die Verfassungsänderungen im Parlament durchgesetzt, nachdem sie mit ihrem Präsidentschaftskandidaten, Außenminister Abdullah Gül, im Parlament gescheitert war. Mit dem Gesetzespaket soll nicht nur die Direktwahl des Präsidenten nach französischem Muster eingeführt, sondern auch die Amtszeit des Staatschefs neu geordnet werden.

Verkürzung der Amtszeit

Künftig soll der Präsident demnach nicht mehr sieben Jahre amtieren, sondern nur noch fünf Jahre. Dafür erhält er die neue Möglichkeit einer zweiten Amtszeit. Die Verfassungsänderungen sehen zudem die Verkürzung der Legislaturperiode des Parlaments von derzeit fünf auf vier Jahre vor.

Mit der umstrittenen Neuordnung des Präsidentenamtes setzt sich der Machtkampf zwischen dem religiös-konservativen Lager unter Erdogan und den weltlich orientierten Kemalisten fort, die die Republik durch Erdogans Regierung in Gefahr sehen. Erdogans kemalistische Gegner innerhalb und außerhalb des Parlaments lehnen das Gesetzespaket als überstürzt ab. Sie sehen darin ein rechtlich zweifelhaftes Vorhaben, den gescheiterten AKP-Kandidaten Gül doch noch ins höchste Staatsamt zu bringen. Erdogan hatte schon vor Sezers Veto angekündigt, dass das Parlament erneut für die Verfassungsänderungen stimmen werde.

Selbst wenn sich Erdogan am Ende durchsetzen würde, könnte Sezer das Inkrafttreten der Novelle entscheidend hinauszögern. Eine Verzögerung würde bedeuten, dass das Parlament den neuen Staatspräsidenten nach den bisherigen Verfassungsregeln wählen muss. In der Volksvertretung wird Erdogan nach der Neuwahl vom 22. Juli aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Kompromissen mit anderen Parteien gezwungen sein. Gül wäre dann kaum durchzusetzen. (APA)