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Wien - Nach der Kritik des Rechnungshofs (RH) an der zu zentralistischen Umsetzung der ÖBB-Strukturreform werden zunehmend neue Details aus dem Rechnungshof-Rohbericht bekannt. Wie die "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN) am Donnerstag berichteten, soll der Rechnungshof auch schwere Bedenken wegen der Bau-Finanzierung anmelden. Neubauten hätten demnach auf Grund fehlender Unterlagen gar nicht verordnet werden dürfen. Sinngemäß spreche der Rechnungshof von einer drohenden Pleite der Infrastruktur Bau AG 2011, heißt es in dem Bericht.

Laut unternehmenseigenem Businessplan sei bis 2011 ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von 294 Mio. Euro zu erwarten. Ab 2011 werde das Eigenkapital verbraucht sein, schreiben die "OÖN" unter Berufung auf den Rohbericht. "Nach Ansicht des RH war der wirtschaftliche Ausblick dramatisch. Ohne massive Bezuschussung droht mittelfristig die Aufzehrung des Eigenkapitals. Die finanzielle Zielsetzung der Bahnreform, spätestens ab dem Jahr 2010 - auch bei aufrechten Investitionsraten zwischen 1 bis 1,2 Mrd. Euro jährlich - keine Neuverschuldung mehr zu benötigen, wurde nach diesen Planungen nicht erreicht", zitiert die Zeitung den Bericht wörtlich.

Außerdem habe der RH darin die Auffassung vertreten, "dass dem Bundesbahnstrukturgesetz folgend, wegen der unzureichenden Qualität der geforderten Projektunterlagen, bei keinem der bereits mit Verordnung übertragenen (Bau-)Projekte die Voraussetzungen zur Aufnahme in den Rahmenplan 2005 bis 2010 gegeben waren". Besondere Kritik hätten die Staatskontrollore am Bau des Koralmtunnels geübt. Die Entscheidungsgrundlagen für das Milliarden-Projekt hätten nicht jenen Erfordernissen entsprochen, die das Gesetz zwingend vorsehe.

Qualität der Bahn-Leistung

Im Detail haben sich die Rechnungshof-Prüfer offenbar auch die Qualität der Bahn-Leistung angesehen. Im Rohbericht wird als Beispiel die regelmäßig verspätete Ankunft des ICE-767 in Wien genannt. Vor Kufstein, heißt es in dem Rohbericht laut "Ö1-Journal", gebe es eine Dauerlangsamfahrstelle. Die Wartezeit hole der ICE dann bis Wien nicht mehr auf. Der RH schließt daraus, dass mehr Geld in die Beseitigung dieser Dauerlangsamfahrstellen fließen sollte. In die Beseitigung der insgesamt 180 Langsamfahrstellen investierten die ÖBB zwar jedes Jahr 100 Mio. Euro. Trotzdem sinke die Anzahl nicht, sondern werde bis 2011 sogar noch steigen, kritisierten die Rechnungshofprüfer.

Handlungsbedarf sieht der Rechnungshof laut Radio-Bericht auch beim Wagenmaterial. So sei im Vorjahr jeder zweite Zug nicht passend zusammengestellt gewesen. Das bedeute, Lokomotiven zogen Waggons niedrigerer Kategorie mit weniger Sitzplätzen als geplant oder fehlenden Klimaanlagen. Die Auswirkungen seien überfüllte Züge und mangelndes Sitzplatzangebot gewesen. Der Rechnungshof empfehle nun der Bahn, ein Paket zur Qualitätsverbesserung zu schnüren und dieses auch laufend zu überprüfen.

Die ÖBB wollten den Rohbericht des Rechnungshofs zuletzt nicht öffentlich kommentieren. Die umfangreiche Stellungnahme der ÖBB soll "in diesen Tagen" an den RH ergehen. (APA)