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Zuhörer Wladimir Putin: „Er will alles wissen, will es aber auch logisch erklärt haben.“

Foto: AP/Astachow
Auch im achten Jahr als Präsident der Russischen Föderation ist Wladimir Wladimirowitsch Putin für viele noch ein unergründliches Wesen. Nicht so für eine Person, die ihn seit 17 Jahren kennt, sich als seinen Freund bezeichnet und darüber mit dem Standard unter der Bedingung spricht, dass sie anonym bleibt.

Die Bekanntschaft geht auf das Jahr 1990 zurück, als Putin Jurist in der Verwaltung seiner Heimatstadt St. Petersburg war. "Wir waren einander sofort sympathisch. Und er ist mir gleich als typischer Europäer vorgekommen." Aus der geschäftlichen Beziehung entwickelte sich nach und nach eine persönliche, die Familien machten gemeinsam Winterurlaub in Österreich.

Während es Ehefrau Ludmilla und die beiden Töchter bald in die Hütten zog, erwies sich Wladimir als unermüdlicher Skifahrer: "Er begann in der Früh und fuhr mit einer kurzen Mittagspause durch bis zum Liftschluss." Diese Beharrlichkeit sei denn auch eine seiner markantesten Eigenschaften. "Er hat eine unheimliche Konsequenz. Er will alles wissen, will es aber auch logisch erklärt haben. Und er ist unheimlich fleißig. Schon damals dauerte sein Arbeitstag 14, 15 Stunden." Dennoch habe er vereinbarte Treffen immer eingehalten.

Hierin drücke sich auch "ein ganz besonderer Charakterzug" Putins aus: "Er war immer hundertprozentig loyal gegenüber seinem jeweiligen Chef. Das ist keine Nibelungentreue, das ist schon eine Hundetreue." Diese absolute Loyalität verlange Putin auch von seinen Mitarbeitern.

Was im Fernsehen nicht rüberkomme: dass Putin ein lustiger, humorvoller Mensch sei. "Man kann mit ihm geistreich blödeln." Und wann versteht er keinen Spaß? "Wenn er sich ungerechtfertigt kritisiert fühlt." Das sei möglicherweise auch der Grund für die Absage der Interviews mit österreichischen Medien. Über den Stein des Anstoßes, den Tschetschenien-Krieg, habe man oft miteinander gesprochen. Putin habe auf Legionäre aus islamischen Ländern verwiesen, die in Tschetschenien kämpften, und dass der Islam in den Westen vordringen wolle. "Er glaubt, dass Russland dort für Europa den Rücken hinhält" - eine übrigens nicht nur in den Putin-freundlichen russischen Eliten verbreitete Ansicht.

Einmal Geheimdienstler, immer Geheimdienstler: Wie sieht das der Freund? Putin habe sich als Maturant mit einer "Idealvorstellung" vom Geheimdienst beim damaligen KGB beworben. Dort verlangte man aber einen akademischen Grad, und Putin sei als promovierter Jurist wiedergekommen. In nur sechs Wochen habe er dann Deutsch gelernt. Seine Tätigkeit als Geheimdienstoffizier in Dresden umschrieb er später mit "geografische Aufgaben".

Was treibt Putin dabei an, die Medien unter Kontrolle zu halten und die Opposition zu behindern? "Er glaubt, dass Russland noch nicht bereit ist für die volle Demokratie. Die würde seiner Ansicht nach ins Chaos führen." Der Wandel sei jedoch im Gange, die heute 18- bis 25-Jährigen seien gut ausgebildet und weltoffen. Aber 15 Jahre werde es wohl noch dauern bis zu vollen demokratischen Freiheiten.

Kennt Putin seinen Nachfolger bereits? Die als Favoriten gehandelten Vizepremiers Dimitrij Medwedjew und Serej Iwanow seien vielleicht zu früh genannt worden. Man müsse auch den populären Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu im Auge behalten. Und Putins eigene Absichten? "Ich habe ihn vor zwei Jahren gefragt: Was machst du, wenn 2008 deine zweite Amtszeit ausläuft? Er meinte nur: Was Feines." (red/DER STANDARD, Printausgabe, 23.5.2007)