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"Man muss im Prüfverfahren immer wieder lästig sein und Behörden auf ihre Fehler aufmerksam machen", sagt Volksanwältin Rosemarie Bauer über ihre tägliche Arbeit.

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Streitereien darüber, ob FPÖ oder Grüne den dritten Volksanwalt stellen dürfen und die Bekanntgabe möglicher KandidatInnen standen in Sachen Volksanwaltschaft in den letzten Wochen auf der Tagesordnung. Am Dienstag erfolgte nun die offizielle Nominierung der KandidatInnen im Hauptausschuss des Nationalrats. Doch was machen Volksanwälte eigentlich? Welche Aufgaben haben sie? Was für Fälle werden behandelt?

derStandard.at hat bei der scheidenden Volksanwältin Rosemarie Bauer und Politikwissenschafter Emmerich Talos nachgefragt und so mehr über Wirkungsbereich, Handlungsvermögen und Berufsalltag der Volksanwälte erfahren. Den zukünftigen Volksanwälten will Bauer keine Tipps geben: "Wie sie ihr Amtsverständnis auffassen, obliegt ihnen selbst."

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"Die Menschen kommen zu uns, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen", erklärt Volksanwältin Rosemarie Bauer, "oder wenn sie meinen, dass bei der Bearbeitung ihres Anliegens ein Fehler passiert ist." Bauer ist seit 2001 im Amt und hat seither "rund 12.000 zu verantwortende Erledigungen" zu verbuchen.

Die Palette der in der Volksanwaltschaft einkommenden Beschwerden ist groß, es sind aber gewisse Tendenzen zu erkennen. Die häufigsten Beschwerden gibt es im Sozialbereich, bei Themen wie Pensionen, Pflegegeld oder Familienbeihilfe. Auch werden die überlangen Wartezeiten bis ein Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, kritisiert, und es gibt viele Beschwerden wegen Bau- und Raumordnungsangelegenheiten.

Die Volksanwälte bemühen sich darum, die Anliegen der BürgerInnen aufzuklären. Es werden regelmäßig Amtsstunden angeboten, bei denen jeder Bürger persönlich vorsprechen kann: "Wir haben ca. 220 Sprechtage im Jahr - in Wien und in den Bundesländern." Die Gespräche dauern jeweils 15-20 Minuten, pro Jahr sprechen etwa 3800 Personen bei den Volksanwälten vor. Viele Beschwerden kommen auch über Fax, E-Mail oder per Brief, diese werden von den Teams der Volksanwälte - jeder hat zehn juristische MitarbeiterInnen - behandelt. Laut Statistik sind ungefähr 14-16 Prozent aller Beschwerden berechtigt, sagt Bauer.

"Rute im Fenster"

Bei der Entwicklung des Amtes der Volksanwaltschaft in den 70er Jahren hat sich Österreich ein Beispiel an den skandinavischen Ländern genommen, erklärt Politikwissenschafter Emmerich Talos, "in Schweden und Dänemark wurde das Ombudsmann genannt."

Talos hält die Volksanwaltschaft für eine "sinnvolle Einrichtung" und für eine "wichtige Ergänzung im politischen System". Für ihn stellt es ein weiteres Instrument der Kontrolle dar: "Wenn alle Rechtsmöglichkeiten und Rechtswege bereits ausgeschöpft sind, gibt es durch die Volksanwaltschaft noch immer eine Möglichkeit nachzuhaken."

Formell sei die Macht nicht sehr groß, die Volksanwälte könnten aber anregen und bei den zuständigen Stelle nachfragen. "Sie stellen den Behörden die Rute in Fenster", bringt es Talos auf den Punkt.

"Nähe zum Volk"

Bekannt sind die Volksanwälte hauptsächlich deshalb, weil sie regelmäßig im Fernsehen auftreten. In der Sendung Bürgeranwalt werden Fälle vor laufender Kamera besprochen. "Die Nähe zum Volk ist ganz besonders wichtig", sagt die ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Bauer und findet es deshalb auch richtig, dass die Volksanwälte in den Bundesländern persönlich ansprechbar sind: "Es wäre eine Hürde und eine gewisse Benachteiligung, wenn nicht alle in unmittelbarer Nähe die Möglichkeit hätten, mit dem Volksanwalt zu sprechen."

Eineinhalb Wochen pro Monat ist Volksanwältin Rosemarie Bauer, wie auch ihre Kollegen Peter Kostelka und Hilmar Kabas, in den Bundesländern unterwegs, um auch dort die Anliegen der BürgerInnen zu betreuen, und "Auswärtssprechtage" abzuhalten.

Lebensschicksale und Sorgen

Viele kommen mit dem Satz "Ich glaub' Sie sind die letzte die mir noch helfen kann" zu Volksanwältin Bauer, andere suchen "gleich spontan" den Weg zur Volksanwaltschaft. Für Bauer ist es ein großer Vertrauensbeweis, dass die Leute persönlich mit ihr über ihre Anliegen sprechen wollen. Oft wird sie auch einfach um ihre Meinung und Überprüfung gebeten.

Viele Menschen wollen ausschließlich den persönlichen Kontakt: "Sie suchen jemanden der mit ihnen spricht, und bringen gar keine Beschwerde vor. Sie melden sich für die Sprechstunde an, kommen, und wollen mich nur persönlich kennenlernen."

"Hilfe ist nicht immer möglich"

Rosemarie Bauer hat in ihrer nun schon fünf Jahre dauernden Amtszeit schon viele Fälle miterlebt. Einige Beschwerden haben die Volksanwältin sehr berührt: "Hinter jedem Akt steht jeweils ein Mensch. Jeder Fall ist für den Betroffenen ein Schicksal." Aber sie glaubt, ihre Arbeit, gut zu machen: "Aus meinem Bereich kann ich sagen, dass es bei sehr sehr vielen Fällen zu einer Lösung kommt, die zu einem befriedigenden Ende führt. Hilfe ist aber nicht immer möglich."

Den BürgerInnen mitzuteilen, dass ihre Beschwerden ungerechtfertigt sind, sei nicht immer leicht, vor allem am Anfang ihrer Tätigkeit als Volksanwältin hat sich Rosemarie Bauer dabei schwer getan.

Unbequem, korrekt und verantwortungsbewusst

"Man muss im Prüfverfahren immer wieder lästig sein und Behörden auf ihre Fehler aufmerksam machen", sagt Bauer über ihre tägliche Arbeit. Damit erfüllt sie ein Tätigkeits-Profil, wie es einst Bruno Kreisky definiert hatte. Er gab an, dass Volksanwälte "unbequeme" Persönlichkeiten sein müssen; sie sollen sich immer über Unrecht ärgern können und dabei nie abstumpfen. Rosemarie Bauer erweitert das Profil: "Man muss Menschen mögen, man muss auf die Menschen zugehen können, und das Vertrauen der Menschen gewinnen können." Außerdem sei es wichtig korrekt und verantwortungsbewusst zu arbeiten.

Emmerich Talos hält es für wichtig, noch mehr Öffentlichkeit über die Arbeit der Volksanwälte herzustellen, dabei könne man auch über Möglichkeiten, die das Internet bietet, nachdenken. Dass man in Zukunft die neuen Medien verstärkt einbindet und Bürgeranfragen über Online-Foren beantwortet, kann sich Rosemarie Bauer aber nicht vorstellen: "Man muss alles überprüfen. Es wäre äußerst gefährlich, wenn man die Fälle einer raschen Beurteilung unterziehen würde."

Nach der Wahl der Volksanwälte am 5. Juni endet Rosemarie Bauers Tätigkeit. Auch Hilmar Kabas wird mit Ende Juni sein Büro räumen müssen. Der amtierende Volksanwalt Peter Kostelka wird noch eine weitere Amtsperiode als Volksanwalt in der Singerstraße tätig sein.

"Genug Arbeit für vier Volksanwälte"

Die Zusammenarbeit mit Peter Kostelka und Ewald Stadler bzw. Hilmar Kabas hat für Rosemarie Bauer "in der Sache ausgezeichnet" funktioniert. Sie appelliert aber an die (zukünftigen) Volksanwälte, dass "jeder Anschein von parteipolitischem Agieren" vermieden werden soll, weil das die Bürger verunsichere. Sonst will sie den zukünftigen Volksanwälten, die am 5. Juni gewählt werden, keine Tipps auf den Weg mitgeben: "Wie sie ihr Amtsverständnis auffassen, obliegt ihnen selbst." Der Idee, künftig vier Volksanwälte einzusetzen, kann Rosemarie Bauer etwas abgewinnen: "Wir hätten auch für vier Volksanwälte genug Arbeit. Aber die Entscheidung muss das Parlament treffen." (Rosa Winkler-Hermaden/derStandard.at, 21.5.2007)