Belgrad - Nach zweitägiger Debatte ist der serbische Parlamentspräsident und amtierende Chef der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikolic, am Sonntagabend zurückgetreten. Mit seinem Schritt kam er einer drohenden Amtsenthebung zuvor. Nikolic, dessen Parteichef Vojislav Seselj sich seit vier Jahren im Gefängnis des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien befindet, war erst am vergangenen Dienstag mit Stimmen der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) des amtierenden Premiers Vojislav Kostunica ins Amt gewählt worden.

Unterstützer Kostunica

Kostunica hatte sich zunächst dazu entschlossen, die Wahl Nikolics zu unterstützen, nachdem zuvor die Gespräche über eine Regierungskoalition zwischen führenden Parteien des demokratischen Blocks zunächst noch gescheitert waren. Nach der Wahl Nikolics vermochten sich aber am Freitag die Demokratische Partei (DS) von Präsident Boris Tadic, die DSS und die Expertenpartei G17-plus des früheren Finanzministers Mladjan Dinkic unter starkem internationalem Druck doch auf eine Regierungskoalition zu einigen. Dieser Umstand öffnete die Tür für eine mögliche Amtsenthebung von Nikolic.

Kolonie der Europäischen Union

Der ultranationalistische Parlamentspräsident sorgte nur wenige Tage nach seiner Wahl ins Amt mit der Ankündigung für Aufsehen, dass in der Endphase der Status-Suche für den Kosovo, die UNO-verwaltete südserbische Provinz, in Serbien auch ein Ausnahmezustand ausgerufen werden könnte. Serbien sei leider noch keine russische Provinz, werde aber nie zu einer Kolonie der Europäischen Union werden, hatte der Ultranationalist versichert.

Nikolic warnte Premier Kostunica davor, den bevorstehenden Verlust des Kosovo für Serbien zu akzeptieren. Die Serbische Radikale Partei werde den Verlust des Kosovo nicht ruhig hinnehmen, erklärte Nikolic kurz vor seinem Rücktritt. "Serbien steht eine schwere Probe bevor. Die Europäische Union will uns den Kosovo wegnehmen, die Russische Föderation verteidigt uns. Serbien wird vor der Wahl stehen", so Nikolic. Der demokratische Parteienblock würde sich irren, sei er bemüht, eine Regierung zu bilden, um den Verlust des Kosovo zu meistern. Er selbst werde in einem solchen Fall seine Partei im Kampf gegen die Regierung führen. "Dann wird es in Serbien nie mehr Frieden geben. Kommt es dazu, wird von Serbien nichts übrig bleiben", drohte Nikolic.

Zum Amtsnachfolger von Nikolic wurde vom demokratischen Block der Chef der Demokratischen Partei in Subotica (Vojvodina), Oliver Dulic, vorgeschlagen. Die Wahl des 33-jährigen Arztes, einer der einstigen Leiter der Studentenbewegung "Otpor", die im Herbst 2000 entscheidend zum Sturz des Regimes von Milosevic beitrug, soll aber erst nach der Regierungsdebatte erfolgen.

Das Parlament soll in der Fortsetzung seiner Sitzung spätestens bis Dienstag Mitternacht zuerst das neue Kabinett von Kostunica bestätigen. Andernfalls wären Neuwahlen fällig. Der bisherige Verlauf der Parlamentssitzung deutet daraufhin, dass die Ultranationalisten vorhaben, eine rechtzeitige Bestätigung der Regierung womöglich zu verhindern. (APA)