Vor dem Hintergrund der schlimmsten Dürreperiode seit Jahrzehnten wird in Australien Ende 2007 eine neue Regierung gewählt. Unabhängig davon, welche Partei die Regierung stellen wird, sie wird sich verstärkt mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen müssen. Nach Ernteausfällen, Wasserknappheit, und heftigen Buschfeuern sind die Australier alarmiert und fordern ein entschlossenes Handeln von der Politik.

Premierminister John Howard wird die Geister die er rief, nicht mehr los.

Der 26. Januar könnte sich im Nachhinein als ein erinnerungswürdiger Tag für Premierminister John Howard erweisen. Am australischen Nationalfeiertag ernennt der Regierungschef alljährlich den von einer Jury vorab gewählten ‚Australier des Jahres’. Dieses Mal rückte er hierbei jemanden in das Licht der Öffentlichkeit, dem er in den kommenden Monaten wahrscheinlich etwas weniger Aufmerksamkeit wünschen dürfte.

Polarisierender Preisträger

Tim Flannery ist der Preisträger des Jahres 2007 und laut John Howard ein Mann, „der die Australier zu neuem Denken bezüglich unserer umweltspezifischen Verhangenheit und zukünftiger ökologischer Herausforderungen ermutigt hat.“ Der Wissenschaftler, Umweltschützer und Bestsellerautor hat es sich zum Ziel gesetzt, den Klimawandel zum entscheidenden Thema der Bundeswahlen 2007 zu machen. Sein besonderes Augenmerk gilt der Kohleindustrie seines Landes, einem Eckpfeiler der australischen Wirtschaft.

Tim Flannery, Wissenschaftler, Umweltschützer und Bestsellerautor

Um eine biologische Katastrophe zu verhindern, so Flannery, müsse Kohle als Energieträger in den Hintergrund treten und stattdessen verstärkt auf die Nutzung alternativer Energienquellen gesetzt werden. Der Erfolg seiner Mission könnte nicht nur einen Wandel in Australiens Klimapolitik bewirken, sondern auch über John Howards politische Zukunft entscheiden.

Fünfte Amtszeit in Folge

Der Regierungschef, der Ende des Jahres 2007 vermutlich die fünfte Amtszeit in Folge anstreben wird, hat in der Vergangenheit keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wo für ihn im Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Umweltfreundlichkeit die Prioritäten liegen. Die rauchenden Schlote der Kohlekraftwerke sind die Schmuckstücke der blühenden Wirtschaftslandschaft Australiens. Hohe Subventionen und steuerliche Vergünstigungen sorgen dafür, dass das Verhältnis zwischen Steinkohle-Industrie und der konservativen Regierung stimmt. Noch. Denn inzwischen bröckelt die Kohle-Allianz, der in Australien stark spürbare Klimawandel führt zu einem Umdenken.

Energiesicherheit durch Kohle

Kohle, vor Eisenerz, Gold und Erdölprodukten wichtigstes Exportgut des Landes, ist für Australien nicht nur gleichbedeutend mit Reichtum, sondern auch mit Energiesicherheit – und zwar in einem Maß „von dem viele andere Länder nur träumen können“ wie ein Kommentator im konservativen The Australian kürzlich betonte. Über 80 Prozent des landesweiten Energiebedarfs werden durch Kohle gedeckt. Entsprechend hoch sind die Schadstoffbelastungen.

Stets um Australiens Wettbewerbsfähigkeit besorgt, hat Howard es bisher verstanden, die mit der Steinkohle verbundenen Interessen zu schützen. Während Australien in der weltweiten Rangliste der Pro-Kopf-Emission unangefochten auf Platz eins liegt, bleibt es neben den USA das einzige Industrieland, dass das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz nicht ratifiziert hat. Industrieschädigende Maßnahmen zum Klimaschutz „liegen nicht im nationalen Interesse Australiens“, wie der Regierungschef unter Verweis auf die Bedrohung für Arbeitsplätze, Exportindustrie und billigen Strom unermüdlich bekräftigt.

Gefürchtete Buschfeuer

Schlimmste Dürre seit Jahrzehnten

Diese Tage könnten jedoch sehr bald gezählt sein. Australien erlebte diesen Sommer die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten - oder vielmehr den Gipfelpunkt einer Dürre, die bereits seit 2001 anhält. „Das Beängstigende ist, dass das letzte Mal, das wir eine Dürre dieser Intensität hatten, die über fünf Jahre anhielt – sie letztendlich über 50 Jahre anhielt“, warnt Professor Andy Pitman von der Macquarie Universität in Sydney. Angesichts der bereits zu verzeichnenden Ernteausfälle, Buschfeuer und Wasserknappheit ein Horrorszenario.

In der jährlichen Umfrage des Lowy Instituts in Sydney Ende 2006 sahen 68 Prozent der Befragten Klimaerwärmung als entscheidende Bedrohung an, nur fünf Prozentpunkte hinter dem internationalen Terrorismus. „Die Menschen befinden sich jenseits rhetorischer Beunruhigung“, kommentierte der geschäftsführende Direktor des Instituts, Alan Gyngell, die Zahlen.

Howard bei der Einweihung eines Atomreaktors

Howard unter Druck

Nationale Umfragewerte, Stern-Report und UNO-Klimabericht sowie die Ankündigungen der EU-Staaten bezüglich verbindlicher Ziele zur Emissionsverringerung setzen Howard unter Druck. Der Regierungschef hat sich im Sinne einer grüneren Zukunft bereits neue Freunde in der Uranförderung gesucht. Eine von ihm beauftragte Arbeitsgruppe kam im November 2006 zu dem Ergebnis, dass ein Netzwerk von 25 Atomreaktoren bis 2050 ein Drittel des landesweiten Energiebedarfs decken könnte. „Die Grundlast wird nur durch fossilen Brennstoff erzeugt werden oder auf lange Sicht nuklear“, stellte der Regierungschef vorab klar.

Die oppositionelle Labor-Partei lehnt diese Pläne kategorisch ab. Bislang kam sie mit Bekenntnissen zum Kyoto-Protokoll sowie dem Ziel Australiens Treibhausgasausstoß bis 2050 um 60 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 zu senken, bei den Wählern gut an. Labor zufolge soll der Energiebedarf allerdings auch weiterhin vor allem durch Kohle gedeckt werden. „Australiens grundlegende Interessen liegen in der langfristigen Wirtschaftlichkeit der Kohleindustrie, demnach müssen wir sicher stellen, dass Kohle auf eine umweltverträgliche Grundlage gestellt wird“, so der Labor-Vorsitzende im Senat, Chris Evans. Möglich werden soll das durch Technologien, die den Treibhausgasausstoß bei der Kohleverbrennung drastisch reduzieren.

Proteste gegen Atomkraft.

Bau von 25 Kernreaktoren

Umweltgruppen und Wissenschaftler reagieren mit Unverständnis auf die politische Debatte. „Atomkraft ist einfach zu langsam, um eine Antwort auf das dringende Problem des Klimawandels zu sein“, so der Geschäftsführer der Australian Conservation Foundation Don Henry. Selbst im Falle politischer Übereinstimmung zum Bau der 25 Kernreaktoren würde es gut 15 Jahre dauern bis eine Glühbirne durch Atomstrom zum Leuchten gebracht werden könnte.

Ben Pearson, Energie-Experte bei Greenpeace, betont, dass der Zeitrahmen für die Entwicklung von „Sauberer Kohle“- Technologie ähnlich zu bemessen sei. „Anstatt wertvolle Steuergelder zu verschleudern bei dem Versuch Kohle zu rehabilitieren, sollten Regierungen in die Umstellung auf saubere und sichere erneuerbare Energien investieren“, lautet sein Fazit.

Während die Politik noch um Konzepte ringt, haben die Wähler sich bereits entschieden worauf Australiens Energieversorgung zukünftig vor allem aufbauen sollte: Erneuerbare Energie lag in einer Umfrage Ende Februar deutlich vor „Sauberer Kohle“ und Atomkraft. John Howard könnte sich somit am Wahltag noch mal an den Australier des Jahres erinnern, der seiner Aussage nach viel zur Bildung eines grünen Bewusstseins in Australien beigetragen hat. (Benjamin Konstanzer aus Melbourne)