Wien - Der Prozess gegen die fünf verbliebenen Angeklagten im Bier-Insiderprozess am Landesgericht Wien wurde am Mittwoch nach der Anhörung von zwei Zeugen auf den 2. Juli vertagt. Den fünf Angeklagten aus der Familie Kretz, einer früheren Linzer Bierbrauer-Dynastie ("Zipfer"), wird Insiderhandel im Zusammenhang mit dem Verkauf des Braukonzerns BBAG/Brau Union an Heineken vorgeworfen. Für sie gilt die Unschuldsvermutung. Die übrigen elf Angeklagten waren Mitte April von Richter Thomas Kreuter überraschend in erster Instanz freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen alle Freisprüche Berufung eingelegt.

Nach der Fortsetzung der Befragung des Beschuldigten Nikolaus Kretz standen am Mittwoch die ersten beiden Zeugen Rede und Antwort. Der ehemalige Finanzvorstand der damaligen Brau Union, Wolfgang Berger-Vogel und der damalige Vertreter der Tiroler Aktionärsgruppe, Bernhard König, erläuterten ihre Sicht der Entwicklungen in den Jahren 2002 und 2003, von den ersten Überlegungen bis zum endgültigen Verkauf der BBAG/Brau Union-Gruppe an Heineken.

Ende November 2002 - als in einer Sitzung mit dem Syndikatsausschuss der Beschluss gefallen war, JP Morgan mit der Suche nach einem Bieter zu beauftragen - und zwar mit der Option, auch die Mehrheit abzugeben - habe es wieder zwei verschiedene Haltungen zwischen Vorstand und Syndikat gegeben, so Berger-Vogel. Der Vorstand habe darauf bestanden, auch Kooperationsmöglichkeiten weiter zu verfolgen und die Mehrheit bzw. den bestimmenden Einfluss zu behalten.

Mehrheitsabgabe

Auf die Frage von Richter Thomas Kreuter, ob bereits am 26. November 2002 der Verkaufsbeschluss gefallen sei, meinte Berger-Vogel, eigentlich nicht, man habe nämlich zuerst versucht, nicht mit den stärksten Partnern zu verhandeln, auch noch im März 2003. Die Abgabe der Mehrheit sei erst im Jänner 2003 - nach der Ad-hoc-Mitteilung - nicht mehr ausgeschlossen gewesen, da die Berater gemeint hätten, in der angedachten Kooperationsvariante werde schwierig, ein Mehrheitsverkauf sei eher möglich.

"Es wurde immer beides mit allen verhandelt. Der Vorstand hat den Mehrheitsverkauf nicht so gewünscht, aber die Kernaktionäre", so Berger-Vogel. Ende Jänner 2003 sei noch alles im Spiel gewesen. Die Abgabe der Mehrheit sei erst beschlossen gewesen, als die endgültigen Angebote da waren - mit der Annahme des Bieterangebotes von Heineken.

Verhandlungen mit Scottish Newcastle

Die vom ehemaligen Brau Union-Finanzchef erwähnten Kooperationsverhandlungen mit Scottish Newcastle stießen bei Richter Kreuter auf Verwunderung, hatte im bisherigen Prozessverlauf doch noch niemand darüber gesprochen. Laut Berger-Vogel hat es neben dem Syndikatsausschuss aber noch ein kleineres Gremium mit Ex-Brau Union-Chef Fritz Kretz, den beiden Aktionärsvertreter Bernhard König und Ludwig Beurle sowie Ex-BBAG-Chef Karl Büche gegeben.

Nach dem 26. November 2002, also nach dem Beschluss, die Verkaufsvariante (Projekt "Keg") in der Form fortzuführen, die einen sofortigen Mehrheitsübergang an einen strategischen Investor beinhaltete (Option B oder Variante 4), sei die Situation zwischen Vorstand und Kerneigentümern sehr gespannt gewesen. Der Vorstand habe darauf bestanden, dass auch Kooperationsgespräche mit anderen Brauereien weitergeführt und nicht ausgeschlossen werden. Die Aktionäre hätten nämlich befürchtet, dass - je härter die Bedingungen im Cebra-Vertrag sind - dies auch negativ für Wert der Aktien sein könnte.

Für ihn seien Kooperationen und Beteiligungen ohne Abgabe der Mehrheit - in welchem Ausmaß auch immer - auch danach noch möglich gewesen. Dazu habe es immer wieder unterschiedliche Meinungen zwischen Syndikat und Vorstand gegeben.

Spekulative Aktienkäufe

Es sei sehr gut gelungen, das Projekt "Keg" ("Fass") vertraulich zu halten. "Wir haben uns beeilt, weil Dinge nicht immer dicht halten", so Berger-Vogel. Schon im November sei etwa durch die Medien gegangen, dass die BBAG-Mehrheit möglicherweise verkauft werden könnte. Der Markt habe darauf reagiert und es hätten Aktienkäufe spekulativer Natur stattgefunden.

Laut Berger-Vogel hat der Brau Union-Vorstand im Frühjahr oder Sommer 2002 damit begonnen, darüber nachzudenken, wie die Konzernstruktur der Brauerei-Gruppe vereinfacht werden könnte. Kooperationsgespräche seien immer so geführt worden, dass die Kernaktionäre nicht ihre Mehrheit - und später - nicht ihre relative Mehrheit verlieren würden. Im Oktober 2002 sei dann die Entscheidung gefallen, dass die Oetker-Gruppe, die mit rund 27 Prozent an der Oberholding Schwechater beteiligt war, ihre Anteile verkaufen will. Alle hätten Angst gehabt, dass "ein feindlicher Mann" einsteigen könnte und Einfluss auf die Konzernstruktur nehmen könnte.

Der Plan des Brau Union-Vorstandes sei immer gewesen, in Zentral- und Osteuropa die Nummer eins zu werden. Gleichzeitig habe man erkannt, dass nicht das notwendige Geld dafür da sei. Also sei darüber nachgedacht worden, wen man wie hereinnehmen könnte. (APA)