Franz Kobermaier (MA 19) signalisiert Gesprächsbereitschaft für Zeitgemäßes

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Für MAK-Direktor Peter Noever ist die Historisierung "zum Ersticken"

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Elisabeth Schweeger fordert den Dialog mit modernen Ästhetik-Experten

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Gerald Bast kämpft für die Moderne und gegen "adaptierte Fakes"

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Auf der Ringstraße müssen Leuchten alt aussehen – aber im Montagsgespräch zeigte sich: Sie sind nicht einmal echt

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Wien – MAK-Direktor Peter Noever ging kein Licht auf, sondern das "G'impfte": "Diese Kitschleuchten sind eine unglaubliche ästhetische Umweltverschmutzung, die Inkarnation der Impotenz einer Stadt. Das ist eine grundsätzliche Frage des Umgangs der Stadt mit der Kunst und ihren Kunstinstitutionen. Es kann doch nicht sein, dass die Stadtverwaltung wie eine Dampfwalze über alle Ideen einfach drüber fährt", empörte er sich zu abendlicher Stunde beim Montagsgespräch des Standard im Wiener Haus der Musik.

Rundlauf in die Magistratsabteilungen

Ursache für die Noever'sche Eruption ist der Streit um die neue Ringstraßenbeleuchtung vor dem Museum für angewandte Kunst: Noever hatte bereits vor längerer Zeit vorgeschlagen, eine Lichtskulptur des Aktionskünstlers Chris Burden mit 180 Art-déco-Leuchten aus dem Umfeld von Los Angeles aufzustellen – als Lichtachse vor dem MAK, die vom 3. Bezirk zum Ring hinführen sollte. Planungsstadtrat Rudi Schicker (SP) sei interessiert gewesen, so der Direktor, habe ihn dann aber quasi als Rundlauf in die Magistratsabteilungen geschickt.

Lampe "Bischofsstab"

Auch Gerald Bast, Rektor der benachbarten Universität für angewandte Kunst, berichtet von einer Gemeinderatsdiskussion im Jahre 2005, in der Schicker noch erklärt habe, die Wiederherstellung der historischen Bogenlampen namens "Bischofsstab" sei zu teuer und man habe sich auf eine "zeitgemäße Lösung geeinigt".

Das Ergebnis: Jetzt heißt es, der Ring wird einheitlich beleuchtet – ausschließlich mit alt aussehenden Kandelabern. Was Bast zusätzlich ärgert: "Beraten hat sich die Stadt nur mit Professor Kupf, einem Experten für historische Beleuchtung. Mit einem Experten für zeitgemäße Beleuchtung wurde nie gesprochen."

Tatsächlich ist Martin Kupf im Publikum – aber auch er ist aus seiner Sicht mit der jetzigen Lösung höchst unglücklich: "Es ist ja nicht so, dass keine Originale mehr da waren. Mehr als hundert Originale wurden in den vergangenen drei Jahren vernichtet und an den Bestbieter als Schrott verkauft." Was jetzt aufgestellt werde, seien nichts als "adaptierte Fakes", die mit der Originalbeleuchtung nichts zu tun hätten, ergänzen Bast und Noever.

"Gesamtkunstwerk"

Wobei Kupf aber im Grunde anderes im Sinne hat: "Die Ringstraße ist in einem einheitlichen Geist errichtet und ein Gesamtkunstwerk. Sie gehört nicht adaptiert, sondern saniert." Auf die Gegenfrage des moderierenden Standard-Chefredakteurs Gerfried Sperl, ob man dann auch das Parlament wie ursprünglich gedacht als Herrenhaus herrichten solle, meint Kupf aber doch: "Na, zu weit sollte man auch wieder nicht gehen."

Prompt kommen aus dem Publikum weitere Beispiele, mit welchen Elementen der Ring verschandelt werde: Die Baustellenreste und Bauhütten, die nicht weggeräumt würden, die Kebab-Standeln. Ein Diskussionsteilnehmer hat gar noch größeres im Sinn und schlägt vor, beim Museumsquartier die historische Front abzureißen. Was zunächst aufhorchen lässt. Aber nur, um anstelle dessen einen gewaltigen barocken Prachtbau zu errichten, "das wäre doch ein würdigeres Gegenüber für die Maria Theresia".

"Schlechtes Theater"

Für Elisabeth Schweeger, die Intendantin des Frankfurter Schauspielhauses, stellen sich diese Wiener Gestaltungsvorgänge jedenfalls "wie ein schlechtes Theaterstück" dar. Unverständlich ist es für sie, "dass die Politik keinen Dialog mit jenen Menschen führt, für die Ästhetik der Hauptberuf ist". Wien lebe doch von der Kunst, aber anstatt sich mit den Bedürfnissen von heute auseinander zu setzen, "wird eine Immobilisierung betrieben. Da werden Fassaden erhalten mit einem vollkommen anderen Gebäude dahinter. Das spürt man – und so wird der Ring vollkommen spannungslos."

"Zum Ersticken"

Oder, wie es Noever formuliert: "Diese Historisierung ist lebensbedrohend. Ich lebe in dieser Stadt – und es ist zum Ersticken. Und Bast gibt zu bedenken: "Mit der Mentalität, alles schön so zu belassen, wie es ist, hätten wir heute immer noch das Glacis und keine Ringstraße. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, auf dem Straßenasphalt Pflastersteine aufzumalen."

Für den Historiker Kupf ist der "Straßenraum ein Lebensraum, den sollte man so gestalten, wie die Mehrheit der Bevölkerung es haben will. Wenn man das Neujahrskonzert mit Blechgeigen spielt, werden sich die Menschen auch aufregen."

Pseudohistorische Beleuchtungskörper

Aber das sieht sogar Franz Kobermaier, Leiter der MA 19 (Stadtgestaltung), anders: "Für die Zukunft sind zeitgemäße Lösungen das Mittel der Wahl." Kobermaier vertrat Stadtrat Schicker, denn der hatte sich noch am Montagnachmittag kurzfristig entschuldigen lassen – wegen einer Terminkollision. Und so konnte Kobermaier eine Frage Sperls auch nicht wirklich beantworten: Warum man zwar pseudohistorische Beleuchtungskörper aufstelle, "aber keinen Genierer hat, daneben eine Straßenbahn im Porschedesign über den Ring fahren zu lassen. Warum dann nicht gleich elektronisch ausgerüstete Pferdestraßenbahnen?"

Verwaltung akzeptieren

Kobermaier konnte lediglich zugeben: "Ich habe auch lernen müssen, mit dieser Entscheidung zu leben." So etwas muss die Verwaltung nun einmal akzeptieren. Trotzdem konnte der Leiter der stadtgestaltenden Beamtenschaft einen kleinen Lichtblick vermitteln. Er bietet Noever und Bast das Gespräch an: Derzeit werde ein Masterplan für Licht und Beleuchtung erstellt, in dem einige "Hot Spots" vorgeschlagen werden. "Da könnte man auch über eine Inszenierung für das MAK unabhängig von der historischen Beleuchtung reden."

Noever ist inzwischen gelernter Skeptiker: "In ein paar Monaten ist unser Prototyp für den Ring fertig. Ich bin schon gespannt auf die Gesprächsbereitschaft." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 9.5.2007)