"Festwochen-Komponist" Leoš Janacek (1854–1928).

Foto: Klangforum
Wien – Leoš Janacek gehört, ähnlich wie Bartók oder Manuel de Falla, zu jenen Komponisten, die aus der Volksmusik ihrer Heimat heraus einen neuen Stil entwickelten – zugleich aber, durch die Universalität ihrer Musiksprache, die Grenzen eines national orientierten Folklorismus doch sprengten. Ähnlich wie Bartók oder Kodály konzentrierte sich Janáèek auf das Sammeln von Volksliedern, die er bearbeitete und aus denen er – ebenso wie aus der tschechischen Sprache und aus Naturlauten – melodisches Material gewann. Das Vorbild des Sprachmelodikers war Modest Mussorgski, seine Klangsprache schließt aber auch die impressionistische Harmonik Debussys mit ein.

Sein Schaffen steht dabei wie ein erratischer Block in der Musikgeschichte. Ohne Vorgänger, aber auch ohne eigentlichen Nachfolger. Über sich selbst schreibt Janáèek , der in seinen Opern eine an Mozart gemahnende Humanität verströmt: "Ich dringe mit der Wahrheit durch. Bis ans Äußerste. Wahrheit schließt Schönheit aber nicht aus."

Gleichsam als Vorspiel zur Festwochen-Neuproduktion von Janáèeks Oper Aus einem Totenhaus (ab 12. 5. Theater an der Wien) widmet sich das Klangforum Wien in drei Konzerten dem tschechischen Komponisten und umrahmte ihn beim ersten Konzert (Dirigent: Emilio Pomarico) mit Stücken von Zeitgenossen wie Schönberg (Lied der Waldtaube aus den Gurreliedern in der Fassung für Kammerorchester von 1911/12) und Gustav Mahler (4. Symphonie in einer Bearbeitung für Kammerensemble von Erwin Stein von 1920). Von Janáèek war die Bläsersuite Mládi (1924) zu hören, die als tönendes Erinnerungsbild an die Studienzeit in Alt-Brünn bezeichnet werden kann. Die Bläser des Klangforums spielten lebendig – die starke Energie des Werkes wurde schön herausgearbeitet. Die Interpretation vermittelte einen intensiven Eindruck von der sprühenden Kreativität eines 70-Jährigen.

Schönbergs Lied der Waldtaube (mit Barbara Hölzl als ausdrucksstarke Solistin mit vollem, runden Timbre und beeindruckenden dynamischen Reserven) ist dagegen noch ganz in der Post-Wagner-Ära verwurzelt. Hervorgehoben werden muss auch die klangvolle, aber transparente Interpretation dieser faszinierenden Instrumentation durch das Klangforum. Denn anders als bei der Bearbeitung von Mahlers 4. Symphonie, die für eine Aufführung im Rahmen von Schönbergs "Verein für Musikalische Privataufführungen" entworfen wurde und die seltsamerweise ohne Horn auskommt, schuf Schönberg eine überzeugende Light-Fassung seines Stückes. Die Mahler-Bearbeitung Steins, dessen Autograf als verschollen gilt, scheint die 4. Symphonie vor allem im 3. Satz regelrecht zu skelettierten.

Wo im Original die Musik regelrecht aufblüht, liegen hier die Strukturen blechern frei. Für das 12-köpfige Ensemble (5 Streicher, 3 Holzbläser, 2 Schlagwerker, Klavier und Harmonium) sowie die Sopranistin Alda Caiello war die Aufgabe, eine imaginäre Orchesterfülle zu schaffen, denn auch eine echte, aber auch viel akklamierte Herausforderung. Das zweite Konzert verbindet heute Janáèeks Werke für Ensemble und Klavier Concertino und Capriccio mit Stücken von György Ligeti. Die Trilogie endet am Samstag mit Janaceks Miniatur-Oper Tagebuch eines Verschollenen in Kammerorchesterversion. (Robert Spoula/ DER STANDARD, Printausgabe, 09.05.2007)