Will mehr über Pflichten denn über Rechte für Zuwanderer diskutieren: ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon erprobt die Rolle des schwarzen Scharfmachers.

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Wien - Wenn die Rede auf Ausländer kommt, fällt ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon viel dazu ein. Da spricht er dann von "Problemzonen", von einer "Schieflage" und von der "gesellschaftlichen Grundordnung", die "durcheinandergekommen" ist. "Über die Rechte von Ausländern reden wir andauernd, aber über die Pflichten?"

Demnächst will der schwarze Parteimanager aus der steirischen Arbeiterhochburg Leoben eine persönliche Fact-Finding-Mission in jene Welten starten, in denen er Recht und Ordnung gefährdet sieht: in Schulen in Wiener "Problemvierteln", wie er sie nennt. Dort möchte er vor Ort mit Betroffenen diskutieren, erklärt er dem Standard. Denn: "Für Ausländer treten immer die ein, die nicht in diesen Vierteln wohnen. Wenn man ein Gelehrter aus dem Nobelviertel ist, redet es sich leicht."

Es sind Töne, wie sie auch von einem Peter Westenthaler oder einem Heinz-Christian Strache stammen könnten, mit denen Missethon derzeit Schlagzeilen zu machen versucht. Dabei legte der 47-jährige Leobener seine neue Funktion anfangs ganz anders an. Da forderte Missethon etwa die Einführung eines Notariatsaktes für homosexuelle Paare, was jedoch nicht wenige Bürgerliche arg erzürnte.

Die persönliche Kehrtwende erfolgte im März, als Tirols konservativer Landeshauptmann Herwig van Staa forderte, straffällig gewordene Asylwerber, die vorerst nicht "abschiebbar" seien, zu "internieren": Im Gegensatz zu anderen Parteikollegen zeigte sich der neue ÖVP-General da plötzlich betont "dankbar" für van Staas "klare Worte". Seitdem lässt Missethon kaum eine Gelegenheit verstreichen, um Zuwanderern und Asylwerbern seine Bedingungen zu diktieren.

"Offensichtlich sind Problemzonen da, die man bearbeiten muss. Dem kann sich die ÖVP nicht entziehen. Da braucht es eine klare Positionierung", erklärt er seine persönliche Rechtsaußen-Offensive. Seine Partei habe in der Vergangenheit zwar die richtigen Gesetze verabschiedet, aber zu wenig darüber geredet. Missethon: "Was wir verändert haben, ist, dass wir die Dinge nun klarer kommunizieren." Für manche in der Volkspartei etwas zu klar.

Missethons jüngste Prognosen, dass Österreich, allen voran die Bundeshauptstadt, ohne Zuwanderungsstopp "irgendwann türkisch sein wird", irritierten zuletzt sichtlich die liberale Wiener ÖVP.

Wissenschaftsminister Johannes Hahn, Wissenschaftsminister und Chef der Landesgruppe, zum Standard: "Ich schätze Missethon als graden Michl. Aber mit seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp hat er übers Ziel geschossen. Als Wiener ÖVP-Chef plädiere ich dafür - obwohl die Integration hier durchaus mangelhaft ist -, schon fair zu bleiben, was Kinder nicht deutscher Muttersprache an den Schulen betrifft: Nicht alle von diesen Schülern sprechen automatisch schlecht Deutsch."

Missethon sieht das offenbar anders: "In Wiener Hauptschulen liegt die Quote von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache bei über 25 Prozent. Ich wünsche der Bundeshauptstadt alles Gute für die Gesamtschule."

Lehren aus der Wahl "Missethon senden offensichtlich Signale an jene Wähler, die rechts der Mitte stehen", analysiert der Politologe Fritz Plasser die Offensive des Generalsekretärs. Seiner Meinung nach ziehen die schwarzen Strategen damit auch eine der Lehren aus dem verunglückten Nationalratswahlkampf: "Nicht Feel-Good-Stimmung, sondern Profilschärfung sind jetzt wichtig."

In der Partei selbst kursiert für Missethons Rechtsruck eine andere Theorie. Ein ÖVPler meint: "Weil sowohl der rote als auch der schwarze Klubobmann wenig zum tagespolitischen Geschäft beitragen - Wolfgang Schüssel, weil er sich nicht mehr einmischen will, Josef Cap, weil er halt nicht gerade der Fleißigste ist - verlagert sich diese Arbeit nun offenbar wieder stärker in die Parteisekretariate." Missethon sei "an sich ein ruhiger Typ", meint der Bürgerliche, aber: "Er dürfte entdeckt haben, dass die Rolle des neuen Kettenhundes noch nicht besetzt ist. Und die will er jetzt ausfüllen."

Josef Kalina wiederum, Missethons rotes Pendant in der Löwelstraße, glaubt: "Weil sich Günther Platter als Innenminister in der Rolle des Hardliners noch etwas schwer tut, muss den Job nun Missethon machen." Für den SPÖ-Bundesgeschäftsführer steht längst fest: "Das sind keine Ausrutscher mehr. In der ÖVP wird mit diesen Wortmeldungen ganz klar um den äußerst rechten Rand gebuhlt." Auch Politologe Plasser sieht eine konzertierte Offensive: "Das sind keine Zufälligkeiten, dahinter stehen strategische Absichten."

Tatsächlich leidet die ÖVP schon seit Längerem an ihrer schwachen rechten Flanke. "Wir haben diese Themen im letzten Wahlkampf liegen gelassen", ärgert sich ein ehemaliger Kampagnenmacher, "nicht wenige, die 2002 noch ÖVP gewählt haben, entschieden sich deshalb dieses Mal für die FPÖ." Auch mangels passender schwarzer Identifikationsfiguren: Die damalige, inzwischen verstorbene Innenministerin Liese Prokop wurde eher als fürsorglich denn als Law-and-Order-Typ empfunden.

Nun will die neue ÖVP alle bedienen: Liberale mit Figuren wie Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, wechselwillige Blaue und Orange mit Missethon. "Eine Doppelconférence, die derzeit noch funktioniert. Es geht um das Erschließen neuer Wählergruppen. Ob am Ende auch mehr Stimmen für die ÖVP herausschauen, wird sich erst zeigen", warnt Plasser.

Missethon jedenfalls scheint sich in seiner neuen, harten Rolle zu gefallen. "Wenn mich jetzt manche als Rassist beschimpfen, dann beeindruckt mich das nicht. Ich werde weiter Klartext reden." (Barbara Tóth, Nina Weißensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 7.5.2007)