Die Chancen, die sich durch die Koalition mit dem größten Industriellen Russlands, Deripaska, in Russland ergeben, wäre das Risikenmanagement, betonte Haselsteiner heute.

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Der russische Milliardär Oleg Deripaska hat 30 Prozent des österreichischen Baukonzerns Strabag gekauft. Dem Unternehmen von Hans-Peter Haselsteiner fließt dadurch zusätzliches Grundkapital von über einer Mrd. Euro zu. Haselsteiner deutete ein Zurückgehen der bisherigen Kernaktionäre auf unter 25 Prozent an. Er will aber nicht, dass die österreichischen Aktionäre die Kontrolle über das Unternehmen verlieren. Durch den Deripaska-Einstieg sei der russische Markt geöffnet worden, betonte Strabag-Aktionär Raiffeisen.

Hans-Peter Haselsteiner warb bei der Bilanzpressekonferenz in Wien um mehr westliches Verständnis für Russland und dessen raschen Wandel nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft geworben. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes vor 15 Jahren seien die "Ressourcen des Riesenreiches neu verteilt worden" - in einer besonders kurzen Zeitspanne. In den USA seien "drei Generationen an Rechtlosigkeit und ein großer Bürgerkrieg" notwendig gewesen, um den Prozess zu einer reifen Demokratie abzuschließen, in dem sich Russland noch befinde, sagte Haselsteiner.

In Europa habe es etlicher Revolutionen und zweier Weltkriege bedurft. "Es ist arrogant, wenn der Westen den Russen vorwirft, dass sie das zu wenig demokratisch bewerkstelligen", sagte Haselsteiner. Natürlich sei die russische Transformation verbesserungsbedürftig - aber das sei den handelnden Personen in Russland bewusst.

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Der russische Oligarch Oleg Deripaska ist mit 30 Prozent in den sechstgrößten europäischen Baukonzern Strabag SE eingestiegen. Dennoch will sich das Unternehmen im Herbst um eine weitere Eigenkapitalzufuhr - diesmal über die Börse - bemühen. Dies sagte Strabag-Konzernchef Hans-Peter Haselsteiner am Mittwoch in einer überraschend angesetzten Pressekonferenz. Der russische Partner werde in das Eigentümer-Syndikat aus seiner Familie und der Raiffeisen/UNIQA-Gruppe aufgenommen.

Laut Haselsteiner hat Deripaska über die Tochterfirma Basic Element im Zug einer Kapitalerhöhung 25 Mio. junge Aktien zum Kurs von 42 Euro übernommen. Dazu kämen weitere 3,5 Mio. alte Aktien von den bisherigen Eigentümern zu etwa dem gleichen Kurs, erläuterte Haselsteiner. "Das sind 25,5 Mio. Aktien oder 30 Prozent an dem Unternehmen." Die Kapitalerhöhung habe damit für das Unternehmen 1,05 Mrd. Euro an frischem Kapital erbracht. Diese Summe liegt etwa ein Drittel unter den zuletzt angestellten Schätzungen über einen möglichen Emissionserlös aus einem Börsegang.

Zusätzlicher Börsegang

Das Einverständnis der Kartellbehörden und der Banken vorausgesetzt, könnte die Strabag im kommenden Herbst daher einen zusätzlichen Börsegang durchführen, in dem über eine Kapitalerhöhung 15 Mio. Aktien an das Publikum gegeben werden. Bis zu 12,5 Mio. alte Aktien könnten ebenfalls in das Publikum gestreut werden, entwarf Haselsteiner ein mögliches Börseszenario. Die Folge wäre, dass dann jeder der drei Altaktionäre 25 Prozent halten würde. "Und das bleibt dann sicherlich eine ganze Weile so", sagte Haselsteiner.

Die Chancen, die sich durch die Koalition mit dem größten Industriellen Russlands, Deripaska, in Russland ergeben, die Risiken zu managen, betonte Haselsteiner. Nur mit Russland könne die Strabag das angestrebte Ziel, in Europa die Nummer eins zu werden, erreichen. Oleg Deripaska, der heute am Begräbnis Boris Jelzins in Moskau teilnimmt, wird sich morgen Vormittag in Wien den Fragen der österreichischen Journalisten stellen.

Für die in Frankfurt notierte Strabag AG Köln rechnet Haselsteiner damit, dass "mit großer Wahrscheinlichkeit" ein Plfichtangebot notwendig wird. Die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin werde durch den Einstieg Deripaskas in das Eigentümersyndikat wohl auf einem solchen Offert bestehen.

Kapazitäten beschränken Russland-Wachstum

Nach dem Einstieg des russischen Industriellen werde sich für die Strabag in Russland nicht mehr die "Frage der Aufträge stellen, sondern es geht um die Frage, mit welchen Kapazitäten werden wir diese bewerkstelligen können", sagte Haselsteiner heute weiter. "Wer Nummer eins in Europa sein will, muss Nummer eins in Russland sein." Der Deal bestehe darin, "Marktanteil gegen Know-how zu tauschen". So will die Strabag dem russischen Partner beispielsweise beim Baustellenmanagement unter die Arme greifen.

Der erste direkte Kontakt mit dem Neo-Partner Deripaska sei erst vor drei Wochen erfolgt, schon die ersten Gespräche hätten weit gehende Übereinstimmung ergeben, sagte Haselsteiner vor Journalisten. Die "Vorstellungen über die strategische Ausrichtung haben perfekt zusammengepasst", Haselsteiner sprach sogar von einer "Interessensidentität" zwischen den beiden österreichischen Kernaktionären und dem russischen Neopartner. Syndikatspartner Christian Konrad (Raiffeisen Niederösterreich) habe vor dem entscheidenden Treffen mit Deripaska die Bereitschaftschaft bekundet, den russischen Partner auch kapitalmäßig an Bord zu nehmen.

Expansionswünsche für Russland

An der Wiege der Entscheidung zuerst für den Börsegang und dann für den Einstieg des Partners sei der Wunsch nach mehr Eigenkapital und die Expansionswünsche für Russland gestanden, sagte Haselsteiner. Statt der aktuellen Eigenkapitalquote von 18,5 Prozent (Ende 2006) seien 20 Prozent "notwendig und 25 Prozent wünschenswert". Mehr Kapital sei notwendig, um expandieren zu können. Nach dem kommenden Sommer, vor einem eventuellen Börsegang will Haselsteiner den eventuell erforderlichen zusätzlichen Kapitalbedarf näher beziffern. Sollte ein IPO im Herbst erfolgen "wird das auf jeden Fall "auch ein großer Börsegang".

In Russland selbst machten die aktuellen Bauaktivitäten Deripaskas rund 1,5 Mrd. Euro Bauleistung aus, zusammen mit jenen der Strabag ergebe sich ein Umsatz von aktuell etwa 2 Mrd. Euro. "Damit sind wir zusammen bereits Nummer eins auf dem russischen Markt." Während Deripaskas Gruppe hauptsächlich auf großvolumigen Wohnbau in Moskau konzentriert sei, habe die Strabag bisher hauptsächlich Hochbauprojekte für gehobene Ansprüche gemacht.

Tiefbauaktivitäen der Strabag gibt es bis jetzt noch kaum welche in Russland. Einen Umsatz im Jahr 2010 vorauszusagen sei aber "völlig spekulativ". Haselsteiner verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass für die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2014 nach wie vor das russische Sotschi im Spiel sei.

Haselsteiner deutete an, dass für die fernere Zukunft nach einem Börsegang ein gleichmäßiges Zurückgehen der Kernaktionäre und Syndikatspartner auf unter 25 Prozent für prinzipiell möglich halte. Von einer solchen Variante müsse er den neuen russischen Partner aber erst noch überzeugen. Dass die bisherigen österreichischen Kernaktionäre die Kontrolle über das Unternehmen verlieren, "wollen wir perspektivisch nicht". Ein Unternehmen von der Größe der Strabag brauche Kernaktionäre.

Aktien der deutschen Strabag im Plus

Die Aktien der von der österreichischen Strabag SE kontrollierten deutschen Strabag AG (Köln) haben am Mittwochvormittag neuerlich deutliche Kursgewinne verbuchen können. Die Papiere des Baukonzerns notierten gegen 10:40 Uhr an der Frankfurter Börse um 5,29 Prozent fester bei 264,80 Euro. Bereits am Dienstag im Späthandel hatten die Aktien mit einem Kurssprung von fast zehn Prozent auf die Nachricht reagiert, dass der für Anfang Mai geplante Börsegang der Strabag SE laut Zeitungsberichten geplatzt oder zumindest verschoben sein dürfte und strategische Investoren aus Russland 30 Prozent an der Strabag erwerben.

Haselsteiner rechnet damit, dass "mit großer Wahrscheinlichkeit" ein Pflichtangebot für die Strabag Köln notwendig wird. Die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin werde durch den Einstieg des russischen Milliardärs Oleg Deripaska in das Eigentümersyndikat des Gesamtkonzerns wohl auf einem solchen Offert bestehen, hieß es zur Begründung.

Dass der Einstieg des neuen russischen Kernaktionärs Oleg Deripaska der deutschen Strabag zugute kommt, ist nach Haselsteiners Einschätzung allerdings eine "Verkennung der Realität". Die Strabag Köln könne von der deutschen Baukonjunktur, nicht aber von den Russlandaktivitäten des Konzerns profitieren, so Haselsteiner.

Das bisherige Tageshoch haben die Titel kurz nach 10:00 Uhr bei 267,80 Euro markiert. Auch die Umsätze hinter den Aufschlägen zogen gegenüber zuletzt stark an. (APA)