Spätberufene Politologin und begeisterte Künstlerin: Agnes Neumayr.
Foto: privat
Agnes Neumayr ist ein kämpferischer Typ. Das war sie schon während ihrer ersten Karriere als Krankenschwester. Auf der Frühgeburtenabteilung eines Krankenhauses in Salzburg konnte sie durch ihr konsequentes frauenpolitisches Engagement eine Reihe von Verbesserungen durchsetzen.

Nach zehn Jahren harter Praxis in der Intensivmedizin musste allerdings eine neue Herausforderung her, außerdem drängte ein lange gehegter Wunsch nach Verwirklichung: Sie wagte den Sprung an die Universität und inskribierte in Innsbruck Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt auf Entwicklungspolitik.

Als Frau der Tat wollte sie ihr theoretisches Wissen naheliegenderweise in einen praktischen Kontext setzen und ging nach dem Studium kurz entschlossen für acht Monate nach Ghana. "Dort habe ich gemeinsam mit lokalen Frauenorganisationen im Norden des Landes ein Gemeinschaftshaus gebaut", berichtet die 42-jährige Politikwissenschafterin, die über selbst eingeworbene Drittmittel des Wissenschaftsfonds FWF am Innsbrucker Institut für Politikwissenschaft angestellt ist.

Da sie selber eine begeisterte Malerin ist, hat sich Agnes Neumayr intensiv mit der traditionellen Wandmalkunst in Westafrika beschäftigt: "In Ghana werden die Häuser jeden Sommer von den Frauen mit phantasievollen Mustern und Motiven bemalt. Dabei wird gesungen, über soziale und politische Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten diskutiert, zudem belehren die Frauen ihre Kinder während dieser Tätigkeit über die Traditionen und richtiges Verhalten in der Gemeinschaft." Die Lehrinhalte dieser "gelebten Schule" werden unter anderem über den symbolischen Gehalt der Malerei vermittelt.

Diese unmittelbare Verbindung von Kunst und Politik hat Agnes Neumayr fasziniert und zu ihrem Dissertationsthema "Kunst gegen Gewalt" inspiriert. "Ich erkannte, dass in Ghana eine bei uns häufig übersehene Dimension von politischem Impetus in der Kunst wirksam wird."

Um ihre Erfahrungen und Überlegungen zu den politischen Möglichkeiten von Kunst wissenschaftlich aufarbeiten zu können, musste Neumayr allerdings einige bürokratische Hürden überwinden, "denn ab 35 fällt man aus allen Doktoratsstipendien heraus". Doch ihr Wunsch, sich in die Theorie zu vertiefen, war zäh – außerdem kommt für eine Kämpfernatur Aufgeben ohnehin nicht infrage. "Also habe ich mehrere Anträge beim Wissenschaftsfonds eingereicht, beim dritten Anlauf hat es dann schließlich geklappt."

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, doch die Chancen auf eine wissenschaftliche Karriere sind dürftig. Wie soll es also weitergehen, wenn das Projekt ausläuft? "Das wird bereits im Juni sein, und dann stehe ich aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Straße", meint Agnes Neumayr nüchtern. "Gott sei Dank bin ich ein Organisationstalent. Das wird mir helfen, wieder in der Praxis – am ehesten im frauen-, sozial- oder entwicklungspolitischen Bereich – Fuß zu fassen."

Dennoch: Wenn sie die Wahl hätte, würde sie am liebsten wissenschaftlich weiterarbeiten. "Ich bin zwar sehr praktisch orientiert und möchte mit meiner Arbeit immer auch etwas in Bewegung setzten, andererseits bin ich aber auch Wissenschafterin." Die Hoffnung, dies bleiben zu können, hat sie zwar noch nicht ganz aufgegeben, "darauf bauen kann ich aber nicht". Daran wird wohl auch ihre Auszeichnung mit dem Theodor-Körner-Preis 2007 nicht viel ändern. Leider. (Doris Griesser/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 25.04.2007)