Die Chance, dass der Paprika ohne Pestizidrückstände ist, liegt zwischen 28 und 75 Prozent. Je nachdem, aus welchem Gemüseregal der Konsument ihn genommen hat.

Foto: Matthias Cremer
Wien - Wer die süßen, kleinen Sultanas-Trauben aus der Türkei mag, wird heuer rechtzeitig einen Vorrat einfrieren müssen. Zumindest, wenn er in Märkten der Rewe-Gruppe (Penny, Billa und Merkur) einkaufen geht. "Wir werden ganz bewusst auf den entsprechenden Umsatz verzichten und erstmals ab Oktober keine Sultanas mehr anbieten", kündigte Rewe-Vorstand Frank Hensel an. Seine Begründung für den freiwilligen Geschäftsentgang: "Zu dieser Zeit beginnt in der Türkei eine Regenperiode, und wir wissen, dass die Ernte nur mit verstärktem Einsatz von Pestiziden gesichert werden kann."

Seit der Standard im Jahr 2002 den Pestizid-Skandal rund um spanische Paprika (die teils massive Grenzwertüberschreitungen aufwiesen) aufgedeckt hat, stehen die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln im Zentrum der Aufmerksamkeit von Umweltschutz und Konsumenten.

Sünder ausgelistet

Grund genug für Rewe, nach anfänglichem Streit mit der Umweltschutzorganisation Global 2000 ein Programm zur Pestizidreduktion auszuarbeiten. Vier Global-2000-Agrartechniker werden vom Händler finanziert; sie analysieren problematische Lebensmittel in Österreich und geben den 3000 bis 4000 Produzenten vor Ort Hinweise, wie der Pestizideinsatz in der konventionellen Landwirtschaft reduziert werden kann. Ergeben die Analysen Überschreitungen der hauseigenen Grenzwerte (die meist niedriger als die gesetzlichen liegen) wird die jeweilige Produktgruppe gesperrt - von Global 2000, unabhängig von Rewe. Fällt ein Lieferant mehrmals einschlägig auf, wird er ausgelistet.

Nützlinge statt Spritzmittel

Für Global-2000-Chef Klaus Kastenhofer und Rewe-Vorstand Hensel sind aktuelle Untersuchungsergebnisse Zeichen der bisherigen Erfolge des Programmes. Beispiel Paprika: Waren im Jahr 2002 nur 24 Prozent der gezogenen Proben konventioneller Ware rückstandfrei, sind es 2006 schon 75 Prozent gewesen. Hauptgrund: die Umstellung von spanischen auf israelische Produzenten, die Nützlinge statt Spritzmittel einsetzen.

Kaum Unterschiede zwischen Bio und konventionell

Voller Stolz wird auch auf den Paprika-Report verwiesen, den die österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) im Dezember 2006 veröffentlicht hat. Dort wird festgestellt, bei Billa/ Merkur sei ein signifikant höherer Anteil des grünen Gemüses ohne Pestizidrückstände - der österreichweite Schnitt liegt bei 28 Prozent.

Nicht erwähnt wird, dass der AGES-Report auch feststellt, es gäbe "keinen statistisch signifikanten Unterschied" zwischen Paprika aus konventionellem und Bioanbau, und dass von keiner der beanstandeten Proben akute Gesundheitsgefährdung ausgehe, wenngleich die kumulative Wirkung der Pestizide noch zu wenig erforscht sei.

Leider kein gemeinsamer Druck auf Produzenten

Bei den anderen Ketten reagiert man auf Hensels Angebot, bei der Pestizidreduktion gemeinsam Druck auf Produzenten auszuüben, verhalten. Nicole Berkmann, Sprecherin der Spar-Gruppe, stellt klar, dass ihr Unternehmen die gesetzlichen Grenzwerte selbstverständlich einhalte und in großem Umfang Proben von externen Labors untersuchen lasse. Daten zu rückstandsfreien Proben hat sie aber nicht. Beim Diskonter Hofer betont man, nach dem AGES-Report auf andere Herkunftsländer umgestiegen zu sein. (Michael Möseneder/STANDARD-Printausgabe, 25.04.2007)