Der Wahlkampf für die bevorstehenden ÖH-Wahlen (22.-24. Mai 2007) kommt schön langsam in Schwung - derStandard.at begleitet in den kommenden Wochen die SpitzenkandidatInnen der zur Wahl stehende Fraktionen beim Stimmenfang.

Die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) belagerten bei einer ihrer ersten Wahlkampfaktionen die Hauptuni in Wien und errichteten dort ihre "Festung Europa".

Teil 1 der Reportagen über den ÖH-Wahlkampf.

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Die "Festung Europa" ist eine Insel für Privilegierte, nur wenige schaffen es in die Mitte. Rot-weiß-rote Bänder trennen die Außenwelt von der Insel, auf der nur wenige Menschen Platz finden. Die "Polizei" gewährt nur wenigen Einlass.

Mit der "Festung Europa" wollen die GRAS auf die Schwierigkeiten, mit denen ausländische Studierende konfrontiert sind, aufmerksam machen. Passkontrolle, Visa, doppelte Studiengebühren und Eingangstests sind nur einige der Hürden, die überwunden werden müssen, um das Studium in Österreich aufnehmen zu können. "Willkommen in Österreich - hier geht es uns gut", ist auf dem Plakat zu lesen.

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Fanny Rasul ist die Spitzenkandidatin der GRAS. Die 23-jährige Studentin der Politikwissenschaft engagiert sich seit 2005 für die StudentInnenbewegung. Fanny sagt, sie schätzt an den GRAS besonders den feministischen Zugang. Sie kann sich außerdem sehr gut mit der antifaschistischen, antikapitalistischen und antisexistischen Einstellung der GRAS identifizieren.

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Das Interesse an der Aktion vor der Hauptuni ist mäßig. Ein älterer Herr kann trotz Erklärungsversuchen von Fanny nicht verstehen was die "Belagerung" vor der Uni soll: "Die Politiker sind ja lauter Gauner. Ihr seid viel zu jung, um zu wissen, was Politik ist."

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Die vielen einzelnen Symbole, aus denen die Festung besteht, sind Hinweise für Themen, die der GRAS am Herzen liegen. So stellt das rot-weiß-rote Band etwa die Barriere, um in Österreich studieren zu können, dar.

Die GRAS kämpfen weiterhin um die Abschaffung der Studiengebühren. Auch die Rücknahme des so genannten "Sozialdienstmodells" ist ihnen ein Anliegen: "Es stellt eine Verhöhnung für all jene Studierenden dar, die bereits jetzt neben dem Studium arbeiten, um sich dieses zu finanzieren."

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Natürlich nutzen die Grünen und Alternativen StudentInnen die Gelegenheit vor der Hauptuni, um mit den StudentInnen persönlich in Kontakt zu treten. Sie verteilen Broschüren und Buttons. Der große Renner aber sind die Zigaretten-Filter.

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Für Florian, der selbst für die IG Germanistik kandidiert, ist es interessant, "den Wahlkampf aus einer anderen Perspektive" zu beobachten: "Es ist ganz nett, was die da gemacht haben."

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Beate, Studentin der Pädagogik, ist anderer Meinung: "Die Aktion ist nicht besonders auffallend. Wenn man hier so schnell vorbeigeht kapiert man nicht, worum es geht."

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Ein weiteres wichtiges Thema im GRAS-Wahlkampf sind die Zugangsbeschränkungen und die Quotenregelung für das Medizin-Studium. Fanny erläutert: "Das ist so nicht haltbar. Wir möchten Bundeskanzler Dr. Gusenbauer dazu auffordern, dass er den §124 des Universitätsgesetztes, der diese Beschränkungen erlaubt, auslaufen lässt."

Die GRAS möchten, dass sich der Bundeskanzler mit den Betroffenen zusammensetzt und an einer gesamteuropäischen Lösung gearbeitet wird. Langfristig wünschen sich die GRAS einen europaweiten freien Hochschulzugang.

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Die momentane Gesprächsbasis mit Bundeskanzler Gusenbauer ist für die GRAS nicht zufriedenstellend. Insgesamt setzen sie sich für mehr Mitspracherecht ein: "Wir StudentInnen sind nicht mehr gleichberechtigter Teil der Universität, sondern KundInnen der ProfessorInnen und der Regierung. Als solche können wir uns nur entscheiden, die 'Ware Bildung' zu kaufen oder nicht zu kaufen – von Mitgestaltung ist keine Rede mehr."

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Die Beziehung der GRAS zur Bundespartei beschreibt Fanny als "kritisches Naheverhältnis". "Wir sind eine befreundete Organisation, wir sind keine Vorfeldorganisation, und sitzen auch nicht in den Entscheidungsgremien der Grünen. Natürlich ist es die Bundespartei, die uns das Geld gibt. Aber wir stimmen mit ihnen nicht in allen Punkten überein", meint die Spitzenkandidatin.

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Flora, die Pressesprecherin der GRAS, spricht das Thema Feminismus an. Nur 14 Prozent weibliche ProfessorInnen seien der GRAS zuwenig. Eine Forderung der GRAS ist daher auch, dass es mehr Frauen in Spitzenpositionen schaffen: "Das erste Mal seit 110 Jahren Studienberechtigung für Frauen stehen die Chancen gut, dass eine Frau erstmals Rektorin an einer Universität wird." Damit spricht Flora die bevorstehende RektorInnenwahl an der Boku Wien an. Sie ist sich sicher, dass gerade im Bereich Feminismus noch einiges zu tun ist: "Wir brauchen coole weibliche Vorbilder. Frauen aus Hochglanzmagazinen reichen als Vorbilder nicht aus."

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Ein Slogan der GRAS heißt "Demokratisieren statt Privatisieren!" Damit treten die Grünen und Alternativen StudentInnen gegen die zunehmende Abhängigkeit der Universitäten von der Privatwirtschaft ein. Flora nennt Beispiele: "In Graz auf der Karl-Franzens-Universität gibt es einen Frank-Stronach-Hörsaal, in Linz einen Raiffeisen-Hörsaal."

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Nächster Stop der Wahlkampftour ist der Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst.

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Fanny und ihr Team verteilen hier unter dem Motto "Riot don’t Diet – Her mit dem fetten Studium" den "zu mageren" Bildungstopfen.

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Die Interessensvertretung der GRAS auf der Musikuni nennt sich "Kunstrasen". Deshalb werden hier auch Broschen aus Kunstrasen verteilt.

Für "Kunstrasen" engagiert sich Lam Tran Dinh. "Hier war man zu lange, zu unkritisch", sagt Lam. "Es bringt nichts zu sagen, wir sind KünsterlerInnen und bildungspolitische Themen gehen uns nichts an", sagt Lam. "Gerade an meiner Universität gibt es viele ausländische StudentInnen – sie sind mit Visa-Problemen und generell mit den Verschärfungen des Fremdenrechtspaketes 2005 konfrontiert."
Bei Kunstrasen befürchtet man zudem eine Selektion der Master-Studienplätze.

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"An der Musikuni Wien sind 50 Prozent der StudentInnen ausländische Studierende. Davon kommen 20 Prozent aus nicht EWR-Ländern, ein Großteil aus Asien", erklärt Flora. Sie kritisiert, dass in Österreich ausländischen Studierenden das passive Wahlrecht verwehrt bleibt und sie ÖH-Politik nicht aktiv mitgestalten dürfen: "Das ist schade, denn so fehlt die breite Legislationsbasis." Auch Fanny ist der Meinung: "Es ist eine demokratiepolitische Katastrophe, wenn engagierte Menschen von der Wahl ausgeschlossen werden." Gerade ausländische Studierende hätten spezifische Bedürfnisse (z.B. sprachliche Barrieren). Umso wichtiger ist es, dass auch sie in der ÖH mitarbeiten und ihre Politik mitgestalten dürfen.

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Am Ende der Aktionen ist es für Fanny Zeit, Bilanz zu ziehen: "Es war witzig mit den StudentInnen zu plaudern. Die Wahlkampfstimmung kommt schön langsam auf." Auf die Frage, ob sie glaubt, dass die Aktionen auch alle verstanden haben, sagt Fanny: "Teils teils. Aber ich bin mir sicher, dass Verwirrung Möglichkeit für Diskussion bietet."
(Katrin Burgstaller, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 24.4.2007)

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