Zulässigkeit und Anforderungen an ausschreibungsfreie Direktvergaben gehören zu den zentralen Themen des Vergaberechts, weil öffentliche Auftraggeber immer wieder legale "Schlupflöcher" aus dem Vergaberecht suchen.

Seit der Entscheidung "Stadt Halle" (C-26/03 vom 11. 1. 2005), wo der Europäische Gerichtshof der In-House-Vergabe an "public-private partnerships" eine klare Absage erteilte, rückt zunehmend die Zusammenarbeit öffentlicher Auftraggeber ("public-public partnerships") in den Vordergrund. Aber auch im rein öffentlichen Bereich hat der EuGH die Voraussetzungen für ausschreibungsfreie In-House-Vergaben nach und nach verschärft. So fordert er etwa, dass der öffentliche Auftraggeber sowohl auf die strategischen als auch auf die wichtigen Entscheidungen der auftragnehmenden Gesellschaft ausschlaggebenden Einfluss nehmen können muss. Nur so kann die für die In-House-Vergabe notwendige Voraussetzung der „Beherrschung wie über eine eigene Dienststelle“ erfüllt sein.

Auch wenn eine In-House-Vergabe grundsätzlich dann zulässig ist, wenn die gemeinsame Gesellschaft von mehreren öffentlichen Auftraggebern beherrscht wird, ging man bisher davon aus, dass sie von allen Auftraggebern gemeinsam in diesem Maß beherrscht werden muss. In einer früheren Entscheidung (C-231/03 vom 21. 7. 2005; "Coname") lehnte der EuGH die Zulässigkeit einer In-House-Vergabe auch deshalb ab, weil die vergebende Gemeinde bloß 0,97 Prozent Anteile an der gemeinsamen Gesellschaft hielt. Das war dem EuGH zu gering, um die notwendige Kontrolle ausüben zu können.

Ein Riese, vier Zwerge

Für Überraschung sorgte der EuGH daher mit seiner Entscheidung im Fall Asemfo (C-295/05 vom 19. 4. 2007). Dabei ging es um die Kooperation mehrerer öffentlicher Auftraggeber: Die spanische Zentralverwaltung und vier Regionen waren an einer gemeinsamen Gesellschaft ("Tragsa") beteiligt, bei der die Zentralverwaltung 99 Prozent und die vier Regionen gemeinsam nur ein Prozent hielten.

Entgegen den Schlussanträgen des Generalanwaltes und seiner eigenen früheren Judikatur billigte der EuGH die ausschreibungsfreie In-House-Vergabe der Regionen an die Tragsa. Er begründet dies damit, dass die Tragsa gesetzlich verpflichtet war, die Aufträge sowohl der Zentralverwaltung als auch der Regionen durchzuführen. Im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern war die Tragsa durch nationale Vorschriften als Hilfsmittel und technischer Dienst eingerichtet und konnte auch ihre Gebühren nicht frei festlegen.

Das Urteil bringt zum Ausdruck, dass der EuGH die vergaberechtsfreie Zusammenarbeit öffentlicher Stellen toleriert, sofern bei der auftragnehmenden Gesellschaft während der gesamten Vertragslaufzeit nicht die Gefahr der Hereinnahme eines privaten Partners droht und sie in einem grundsätzlichen Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis zu ihren auftraggebenden Gesellschaftern steht. Auf deren unmittelbaren Einflussmöglichkeiten scheint es dem EuGH nicht mehr anzukommen, wenn Abhängigkeit und Unterordnung der gemeinsamen Gesellschaft durch sonstige Maßnahmen gesichert sind. Die Frage der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit solcher gesetzlichen Vorschriften in Hinblick auf Art. 86 EGV wurde vom EuGH aber nicht geprüft.

Dieses Urteil gibt Hoffnung für eine großzügigere Auslegung der vergaberechtlichen Ausnahmen zumindest im rein staatlichen Bereich. Es könnte auch zur Rechtfertigung für eine In-House-Vergabe unter Schwestergesellschaften dienen – solange die erforderliche Unterordnung und Abhängigkeit der auftragnehmenden Gesellschaft durch die Beherrschung der gemeinsamen Muttergesellschaft hergestellt wird. (Martina Harrer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.04.2007)