Wiener Wirtshäuser - früher ein Ort der Armut, in denen oft raue Sitten herrschten. Heute auch mit Attributen wie "Szene-" und "Nobel-" versehen

Foto: Wien Museum / Walter Henisch sen.

Wien - Wenn's ums Beisl geht, ist das wie Fußball oder Auto fahren: Da kennt sich jeder besser aus. So gesehen ist eine Ausstellung über das Wiener Gasthaus ein gewagtes Unterfangen. Doch bei den Vorbereitungen zur großen Wirtshaus-Schau stieß man im Wien Museum auf ein verblüffendes Phänomen: Obwohl es alle in der Stadt besser wissen - weiß man über die Institution "Wiener Gasthaus" im Grunde nichts Genaueres.

"Unsere Bestände waren nicht reich an Gegenständen der Wirtshauskultur", berichtet Direktor Wolfgang Kos. "Das Beisl ist wohl zu tief in der Alltagskultur verwurzelt, als dass man Derartiges gesammelt hätte." Auch auf wissenschaftliche Publikationen konnte kaum zurückgegriffen werden.

Römische Garküche für Ziegelarbeiter

Doch je länger die Vorarbeiten liefen, desto komplexer und dichter präsentierte sich das Thema. Das Ergebnis ist eine höchst facettenreiche Ausstellung, in der die "Geschichte der Wiener Gastlichkeit" wie kaum je zuvor dokumentiert wird. Das beginnt bei der römischen Garküche, die erst kürzlich als erste ihrer Art auf Wiener Boden gefunden wurde - "die ist vermutlich für Arbeiter naher Ziegelwerke errichtet worden", berichtet Kos.

Beisl-Renaissance nach dem großen Wirtshaussterben

Und das endet bei der Beisl-Renaissance nach dem großen Wirtshaussterben; angeregt durch Aufrufe von Künstlern und Intellektuellen. "Doch diese Rückbesinnung war auch mit Wiener Chauvinismus verbunden", wägt Kos ab. "Denn wer war schuld am Beislsterben? Der Chines', der Jugo mit seinen Tschiwawerln und der Italiener."

Simultan-Panieren

Wahre Schätze werden hier präsentiert. Wie etwa drei Simultanvideos vom Schnitzelklopfen und -panieren im Ubl, Zu den 2 Lieserln und Prilisauer. Oder die filmische Dokumentation, wie die legendäre Mizzi Nowak im Gmoakeller ihre nicht minder legendäre "g'röste Leber" kochte - begleitet von einem britischen Kommentator.

Stammtischtafel

Viele Fragen werden beantwortet. Ist das Beisl eine reine Männerdomäne? Gewiss - doch da gab es stets "die Wirtin, meist in der Küche, und die Serviererin", die lange im Verruf stand, sich durch andere leibliche Genüsse ein Zubrot zu verdienen, wie Kuratorin Ulrike Spring erläutert. Und dann findet sich unter den Exponaten auch eine Stammtischtafel mit der Aufschrift: "Penzinger Frauentreff".

Topfenpala und Kolatschen

Vieles aber muss notgedrungen vage bleiben. Schon allein die Definition, was das Beisl eigentlich sei. Klar ist nur, dass es kein Restaurant ist. Spricht man aber jetzt auch von "Nobelbeisln", so "war das Beisl früher eigentlich ein Tschecherl, wo die Armut wohnte", erinnert Kos. Also auch so etwas, das deutsche Touristen nie zur Gänze verstehen werden. Genauso wie ein Wirt einmal einem Deutschen den Begriff "Topfenpala" auf der Karte erläutern wollte: "Aus Palatschinken macht ma Frittaten. Und Topfen is' des, was in die Kolatschen drinnen is'." ´(Roman David-Freihsl/DER STANDARD Printausgabe 19.4.2007)

"Im Wirtshaus", 19. 4. - 23. 9., Wien Museum, Karlsplatz