Alle müssen Demokratie lehren, aber nicht lernen.

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Kein Fach, keine Ausbildung. Sie sollen es einfach nur tun, und das aus Prinzip: politisch bilden. Alles andere ist Fleißaufgabe.

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Es ist ein "trauriges Kapitel" im österreichischen Bildungssystem, meint Politikwissenschafter Herbert Dachs von der Uni Salzburg: "Der Stellenwert, den politische Bildung und vor allem die Ausbildung der Ausbildner hat." Sie existiert de facto nicht, obwohl alle Lehrerinnen und Lehrer aufgrund des "Unterrichtsprinzips" Politische Bildung auch Demokratie-Lehrende sein müssten.

Aber wo kein Unterrichtsfach, da kein Ausbildungsfach - und so sieht die politische Bildung dann oft aus. Dachs: "Die, die nichts tun wollen, verlassen sich immer auf die anderen." Was im Schulbereich fatal ist, weil das inexistente Fach "Demokratie lernen" letztlich nur vom Engagement der einzelnen Pädagogen abhängt. Faktisch wird Politik vor allem in Geschichte, mit der Gefahr der "Historisierung der politischen Bildung" (Dachs), in Geografie oder von Juristen in berufsbildenden Schulen meist "institutionenlastig" betrieben, erklärt Erziehungswissenschafterin Cornelia Klepp von der Donau-Uni Krems. Sie ist wissenschaftliche Koordinatorin des einzigen Master-Studiums für Politische Bildung in Österreich, das, unterstützt vom Unterrichtsministerium, seit 2005 in Kooperation mit der Uni Klagenfurt organisiert wird und sich primär an Lehrerinnen und Lehrer richtet, die politische Bildung bewusst lehren wollen.

Daneben gibt es das Vorreiterprojekt im Vorarlberger Bildungszentrum Schloss Hofen in Lochau, das als erster Uni-Lehrgang für Politische Bildung vor genau 20 Jahren gegründet wurde. Leiter ist Politik-Professor Dachs, das viersemestrige berufsbegleitende Politik-Upgrade (nicht nur) für interessierte Pädagogen endet mit dem Zertifikat "Akademische/r Politische/r Bildner/in". Das seien aber, meint Dachs, nur "Mini-Tröpfchen" in der politischen Ausbildungswüste, zumal man damit "nur die ohnehin Motivierten erreicht, die sich aktiv weiterbilden".

Zudem bringe, so Klepp, "der Abschluss den Absolventen keinen Benefit. Es ist eine schöne Zusatzausbildung, aber sie können nicht sagen, ich möchte politische Bildung unterrichten, weil ich das privat gelernt habe." Dabei wäre eine "kritische Masse" (Dachs) an professionellen Politik-Lehrenden für das Fachgebiet gerade angesichts des Wählens mit 16 besonders wichtig.

Aber, schränkt Klepp ein, die zwei Uni-Lehrgänge könnten das vorgelagerte Problem, "das Fehlen einer eigenen Ausbildung für die Lehrenden in den Schulen", nicht kompensieren. Sie plädiert wie Dachs für die Etablierung eines eigenen Fachs: "Die Pädagogischen Hochschulen hätten die Qualifizierung der politischen Bildnerinnen und Bildner jetzt in der Hand."

An den Unis komme die Lehramtsausbildung im Gegensatz zu Deutschland überhaupt fast ohne Fachunterricht aus (Interview rechts). Heimische Geschichtelehrer kommen im ganzen Studium nur zwei bis vier Stunden je nach Studienplan mit politischer Bildung in Berührung.

Darum spricht sich auch Historiker Thomas Hellmuth von der Uni Linz, selbst auch Politik-Lehrer an einer AHS, neben dem fachübergreifenden Schulprinzip für ein "eigenes Fach in der Oberstufe" und eine systematische Aus- und Fortbildung für politische Bildung aus: "Es gehören eigene Institute an den Unis eingerichtet, wo alle Lehramtsstudierenden durchmüssen." (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2007)