Kaum ein Plakat von Sarkozy, das nicht beschmiert ist.

Foto: Sonja Fercher
Jacques Chirac lächelt wie seit zwölf Jahren von der Wand: Auch in dem Wahlbüro der Rue de Turenne mitten in Paris überwacht das Konterfei des Staatschefs den Ablauf des Urnengangs an diesem Sonntagnachmittag. Und falls dies noch nicht genügen sollte, prangt auf der gegenüberliegenden Seite noch die Menschenrechtserklärung von 1789. Aber hier, in der hübschen Grundschule, geht es zivilisiert zu, obwohl der Andrang gewaltig ist: Um die Warteschlange zu verdichten, mussten die Organisatoren mit Schulbänken einen Slalom-Korridor durch den Saal errichten - und trotzdem stehen die Wähler bis draußen.

Einmal im Wahlbüro, drängeln sie sich vor dem "isoloir" (Wahlkabine), dem Ort der demokratischen und geheimen Wahl, wie es die Menschenrechtserklärung deklariert. Dort, hinter gezogenem Vorhang, können es die Citoyens dann den Mächtigen wieder einmal zeigen; doch diesmal wissen sie selbst nicht recht wie: Bis in der Woche zuvor hatte sich noch ein Drittel der Stimmberechtigten als unentschlossen bezeichnet, und in dem Wahlbüro scheint ein älterer Herr auch jetzt noch zu zögern. Aber nein, er sucht nur etwas: "Wo ist jetzt bloß der Zettel mit . . .?", ärgert er sich, kann aber den Namen seines Kandidaten gerade noch zurückhalten.

"Keine Angst, wir schauen nicht hin", meint eine junge Frau kichernd zu ihrer Schwester, als der etwas schwächliche Monsieur auf einer Sitzbank Platz nimmt, um weiter zu suchen. Er hat Zeit: Gut zwanzig Minuten stehen die Bürger in der Schlange, und bald einmal vertreiben sie sich das Warten mit eher generellen Bemerkungen.

Dann erzählt jemand vom Frühfernsehen, wonach Nicolas Sarkozys Frau Cécilia am Morgen demonstrativ neben ihrem Gatten abstimmen gegangen sei. Das stoppt die Gerüchte über einen neuen Hauskrach des turbulenten Paares. Dafür gehen beim Stichwort die Wogen im Wahlbüro hoch. "Also der Hitler-Schnauzer auf dem Sarkozy-Plakat vor meiner Haustür, der ging schon etwas weit", findet eine Bürgersfrau. "Seltsam, dass nur immer Sarkozys Plakate verschmiert wurden", kontert umgehend ein Junger.

Aber noch bevor die Diskussion im Wahlbüro in ein Handgemenge ausarten kann, schlichtet der ältere Herr: "Eigentlich hätten wir den da behalten sollen", meint er und zeigt auf das Chirac-Porträt an der Wand. "Mit dem hatten wir wenigstens Ruhe." (Stefan Brändle aus Paris/ DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2007)