Ich bin in einer medial eingeschränkten ländlichen Welt aufgewachsen. Walt Disney hat sich seine verlorene Kindheit zurückgezeichnet - ich ergänze meine Bibliothek und forme daraus ein Produkt."

Foto: Andy Urban

STANDARD: Was sind Ihre Eindrücke zur ersten Edition?

 

Georg Hoanzl: Was uns da gelungen ist, ist kulturpolitisch ein Traum. Wir präsentieren die Edition an über 450 Schauplätzen in Österreich. Wenn im Herbst die nächsten 50 DVDs kommen, gibt es Österreichischen Film als Großedition. Das ist europaweit noch ein einzigartiges Projekt.

STANDARD: Es war Ihre Idee?

Hoanzl: Ja, ich hatte diese Idee seit fünf Jahren. Zum richtigen Zeitpunkt habe ich mir den richtigen Medienpartner gesucht. Das war ein glückliches Zueinanderkommen.

STANDARD: Was war ausschlaggebend für diesen "richtigen Zeitpunkt"?

Hoanzl: Ich wusste, ich habe nur einmal die Chance, diese Idee auszuspielen. Ich habe dann auf Parameter gewartet. Auf einen bestimmten Herstellungspreis, darauf, dass es eine DVD-Player-Durchdringung des Marktes gibt, dass der Medienpartner mitgeht.

STANDARD: Das waren also ganz praktische Faktoren?

Hoanzl: Die das entschieden haben - ja. Da müssen viele Parameter stimmen. Ich wusste auch, ich habe nur einen einzigen Marktauftritt - der Moment ist das "Ereignis". Und wenn dieser Moment nicht eindeutig genug behauptet wird, kann das ganze Projekt in sich zusammenfallen.

STANDARD: Was waren die Risiken? Oder, welche Chancen haben Sie gesehen?

Hoanzl: Ich habe die Chancen eher als Möglichkeiten und nicht als Realitätsfaktoren gesehen. Wir haben zwar genau gerechnet, der Aufwand war dann aber ein x-faches höher als erwartet, die Ertragsseite geringer. Ein Teil der Filme, in dieser übrigens sehr mutigen Zusammenstellung, war davor auch wirtschaftlich nicht verwertbar.

STANDARD: Wäre ein höherer Verkaufspreis infrage gekommen?

Hoanzl: Den Erfahrungen der letzten fünf Monate zufolge wäre das falsch. Man hätte sonst so eine Marktöffnung und ein Rezeptionsverhalten beim Konsumenten nie erreicht. Ich bin auch froh, dass ich das so gemacht habe, weil die nachkommenden österreichischen Filme jetzt eine ganz andere Bereitschaft im Handel vorfinden. Das sehe ich als den wirklichen Gewinn.

STANDARD: Haben es neue Filme österreichischer Regisseure jetzt leichter?

Hoanzl: Es gibt jetzt Präsentationsflächen. Dass es für den österreichischen Film eine Kundschaft gibt, das hat dieses Projekt im realen Direktverkauf bewiesen.

STANDARD: Der Aufwand war höher als erwartet - was ist da dazwischengekommen?

Hoanzl: Es ist gewaltig, was an Arbeit stattfand - allein die Rechtsklärung war ein wahnsinniger Brocken, wo mitunter fast fatalistische Sichtweisen notwendig waren, um nicht mittendrin abzubrechen.

STANDARD: Welche Rolle spielen da die Partner? Die Filme wurden nicht von Ihnen ausgesucht, Sie haben die Edition aber zu 100 Prozent finanziert.

Hoanzl: Ich wollte mich inhaltlich herausnehmen. Die Entschiedenheit des Standard war da sehr hilfreich. Es gibt ein Grundeinverständnis, in welchem Spannungsbogen das Ganze sein kann. Dann kam die Idee, dazu einen zweiten Partner zu finden: Ernst Kieninger vom Filmarchiv.

STANDARD: Was ist, nach den Erfahrungen der ersten, generell an der Herangehensweise bei der zweiten Edition anders?

Hoanzl: Das Schönste ist: Man kriegt Filme, die man vorher nicht bekommen hat, weil die Rechtegeber nicht bereit waren, sich auf das Projekt einzulassen. Weiters: Wir können uns strukturell und wirtschaftlich schon auf eine Basis verlassen, wo bei der ersten Edition nichts da war. Und es gibt eine Aufmerksamkeit für den österreichischen Film in seiner inhaltlichen Breite.

STANDARD: Sie sagten schon, die Zusammenstellung ist mutig - das hätte auch schief gehen können.

Hoanzl: Das inhaltliche Risiko ist mir erst mittendrin im vollen Umfang bewusst geworden. Die Angst war immer eher existenziell. Gleichzeitig habe ich das wirtschaftliche Potenzial immer gesehen.

STANDARD: Inwiefern hängt der Erfolg der Gesamtedition mit großen Schlagern wie "Hinterholz 8" zusammen, die unbekanntere Filme mitziehen?

Hoanzl: Die großen Publikumsfilme waren total stützend für das gesamte Projekt. Und haben Aufmerksamkeit für die anderen Filme geschaffen. Da sieht man, wie der eine Film dem anderen hilft. Jetzt erleben wir, wie sich die Neugierde auf den österreichischen Film in den realen Absatzzahlen auswirkt.

STANDARD: Wie neugierig waren Sie? Sie kannten ja viele der Filme vorher gar nicht.

Hoanzl: Ich kannte zwei Drittel, der Rest war nicht einmal mir zugänglich. Aber ich hatte für mich einen konzeptionellen Überbau, daher wusste ich, dass die Herangehensweise dem entspricht, was ich machen möchte.

STANDARD: Nämlich?

Hoanzl: Die österreichspezifischen Nischenmärkte gut aufbereitet ans Publikum bringen - das ist unserer Firmensinn und meine Herzensangelegenheit, diese Idee hatte ich schon, bevor ich eine Firma hatte. Ich kenne die Anforderungen des Handels und die Sehnsucht des Konsumenten.

STANDARD: Letztere haben jetzt ein stärkeres Interesse am österreichischen Film?

Hoanzl: Das Publikum dafür hat sich durch die Edition meiner Meinung nach verdoppelt bis verdreifacht.

STANDARD: Welche Reaktionen kommen da aus der Branche? Treten Filmemacher jetzt von sich aus an Sie heran?

Hoanzl: Ja. Das freut mich, weil es auf einem anderen Weg eine Anerkennung ist, dass man diese Stärke dieser Edition wahrnimmt und nutzen möchte. Ich bin traurig über alle Filme, die es nicht in die Edition schafften, und arbeite bereits daran, sinnvolle Verwertungsstrukturen für sie zu schaffen.

STANDARD: Im ersten Teil sind Filme, über die es kaum Material gab. Wie gräbt man die aus?

Hoanzl: Das ist ein Horror. Da gibt es monatelang keine Orientierung, wem überhaupt die Rechte für den Film gehören. Und: Wer hat diesen Film wo in welchem Ausgangsmaterial? Aus diesem Nichts, das aber etwas Großartiges ist, etwas aufzubauen, das macht die Arbeit schön. Weil man weiß, wie knapp es war, dass es komplett wegrutscht.

STANDARD: Daran arbeiten die Archive auch.

Hoanzl: Zwischen einem Archiv und einer publizistischen Arbeit ist ein gewaltiger Unterschied. Das Erreichbarmachen und Anbieten. Es gibt da noch einige ungehobene mediale Schätze. Ich bin ja nichts anderes als ein Goldgräber der österreichischen Kulturschaffenden.

STANDARD: Ihre Motivation ist es, Kunstwerke vor dem Vergessen zu bewahren?

Hoanzl: Nein, da machen Filmarchiv und Filmmuseum gute Arbeit. Mir geht es ums Erlebbare. Ich bin in einer medial eingeschränkten ländlichen Welt aufgewachsen. Walt Disney hat sich seine verlorene Kindheit zurückgezeichnet - ich ergänze meine Bibliothek und forme daraus ein Produkt.

STANDARD: ... das gerade hypt, siehe Deutschland.

Hoanzl: Die Süddeutsche-Edition hat eine internationale Werkschau gemacht. Wir bringen ein Nischensortiment, das kann man nur in der Aufmachung vergleichen. Mein Ansatz ist: Nischenmarkt muss aufwändiger betreut werden, als Mainstreammarkt, hat aber enorme Publikumschancen.

STANDARD: Was sind die Erwartungen an die zweite Edition?

Hoanzl: Den Blick auf den österreichischen Film um zusätzliche Aspekte zu erweitern. Mit dem Wissen, dass es nicht komplett ist.

(Isabella Hager / DER STANDARD, Printausgabe, 20.04.2007)