Bild nicht mehr verfügbar.

Formmäßig zwischen Weinlaub und Ahorn

Foto: Archiv

Wenn Sie ein Kontrollfreak sind, der den Rasenunkrautvernichter quasi auf dem Nachtkästchen stehen hat und Thujenwürfel vor der Haustüre, ist diese Lektüre nicht für Sie bestimmt. Wenn Sie aber der Fraktion der Dschungelliebhaber angehören, al- so ein Genießer alles Üppigen, Wilden und Abenteuerlichen sind, müssen Sie schleunigst Bekanntschaft mit Macleaya cordata machen. Eine langjährige, heiße Liaison steht Ihnen bevor, vielleicht auch eine Hassliebe – auf jeden Fall aber eine aufregende Beziehung zu diesem prachtvollen Geschöpf, das auch unter dem Namen Federmohn bekannt ist.

Doch was heißt hier bekannt. Erstaunlicherweise ist der Federmohn hierzulande kaum jemandem Begriff. Kaum ein Gartenbuch, in dem er auftaucht, und selbst wohlbeleumundete Edelgärtnereien führen ihn (noch) nicht im Programm. Vielleicht, weil eine eigene Gärtnerkraft extra dafür abgestellt werden müsste, den zarten Unhold im Zaum zu halten, was jetzt natürlich eine graziöse Übertreibung, aber der Wahrheit nicht ganz fern ist.

Ein Schuss Frauenmantel

Der Federmohn ist eine ausdauernde Staude, seine Heimat ist Fernost, über den Winter kommt er locker in Gegenden, in denen die Temperaturen nicht unter minus 15 Grad sinken. Im Frühjahr steckt er anmutige, vorerst harmlos scheinende silbergrüne Antennchen aus dem Erdreich, die sich alsbald zu formvollendet lappig-ausgebuchteten Blättern entfalten, die formmäßig irgendwo zwischen Weinlaub und Ahorn angesiedelt sind, mit einem Schuss Frauenmantel. Ab diesem Moment des Frühlingserwachens kennt der Mohn-verwandte kein Halten mehr. Bis zu drei Meter Höhe schießt das Gewächs empor und wächst sich zu einem der schönsten Pflanzenungetüme aus, die man sich nur denken kann.

Nähme eine mächtige Zauberfee botanische Gestalt an – genau so würde sie erscheinen: Groß und dabei unendlich zart, silbrig und blaugrün schimmernd, im Hochsommer überrieselt von einem hellrosafedrigen Blütengespinst. Nur den Duft müsste man noch herbeihexen, gleichwohl nicht die Unbezwingbarkeit. Denn so zart und filigran diese Federmohnhexe auch daherkommt, unterirdisch entwickelt sie subversive Gewalten, von denen normalsterbliche Pflanzenkollegen nur träumen können – und vor denen man sie selbstverständlich beschützen muss. Die Rede ist von Ausläufern, die alles überwuchern.

Federmohnjauche als Spritzmittel

Zu den Fakten: Der Federmohn ist ganz einfach zu kultivieren, weil er die meisten Bodenarten erobert und sowohl prallsonnig als auch halbschattig stehen kann. Zwar liebt er zuweilen feuchte, durchlässige Erde, er gedeiht aber auch ganz gut im Trockenen. Dann bleibt er halt kleiner. Nur Sümpfen und Wüsten ist er doch nicht gewachsen, aber bitte, alles kann man auch wieder nicht verlangen.

Wer einen leidlich kleinen Garten hat und dennoch nicht auf dieses wüchsige Spektakel verzichten will, tut gut daran, Vorsichtsmaßnahmen gegen die Überwucherung der Nachbarpflanzen zu ergreifen. Bewährt ist diesfalls natürlich die Methode, das Gewächs wurzelseitig in einen geräumigen Topfkäfig zu sperren und einzugraben. Oder man greift zu begrenzenden Wurzelfolien, geeignet ist auch Dachpappe.

In China und Japan, der Heimat dieser Pflanze, verwendet man übrigens Federmohnjauche als Spritzmittel gegen Ungeziefer, da die Pflanze giftig ist. Vermehren lässt sich der Federmohn ganz leicht, indem man im Frühjahr Wurzelausläufer ausgräbt und anderswo einfach in die Erde wirft. Für alle Kontrollfreaks, die bis hierher durchgehalten haben, gibt's jetzt eine Belohnung: Es existiert eine weniger wuchernde, zivilisiertere Variante der Macleaya, sie heißt Macleaya microcarpa "Kelway's Coral Plume". Versuchen Sie's lieber mit der! (Ute Woltron/Der Standard/rondo/20/04/2007)