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30 Prozent der Klimagasemissionen entstehen durch Straßenverkehr.

Foto: Alexander Rüsche / APA

Privat und beruflich klimaneutral unterwegs: René Estermann.

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René Estermann ist der Geschäftsführer der Stiftung "Myclimate", die Maßnahmen für den Klimaschutz im Netz anbietet. Privatpersonen und Unternehmen können mit dem "myclimate ticket" ihre beim Fliegen, Autofahren oder Heizen anfallenden Emissionen durch Geldbeträge kompensieren.

Der Standard: Was bedeutet klimaneutrales Reisen?

René Estermann: Dass die Schadstoffemissionen, die durch das Reisen verursacht werden, durch die Schadstoffreduktionen in einem Klimaschutzprojekt ausgeglichen werden. Dafür zahlt der Reisende einen Betrag, der dann in ein klimaschonendes Projekt investiert wird.

Der Standard: Ihre Stiftung gibt es seit 2003. Wie haben sich die aktuelle Klimaschutzdebatte und die Aufrufe zum Verzicht auf Fernreisen auf "Myclimate" ausgewirkt?

René Estermann: Es gibt eine massive Nachfrage. Früher konnten wir den Umsatz jedes Jahr in etwa verdoppeln, seit dem letzten November hat sich das Geschäftsvolumen verfünffacht bis versechsfacht.

Der Standard: Kann die Stiftung überhaupt mit solchen Steigerungen umgehen?

René Estermann: Ja. Meine Vorgänger haben sehr viel investiert in den Aufbau von Projekten, bis zur Realisierung dauert es meist zwei, drei Jahre. Durch diese Aufbauarbeit haben wir viel Erfahrung und ein gutes Projekt-Know-how. Lassen Sie mich ein Beispiel bringen: Die Fußball-WM in Deutschland hat zu rund 100.000 Tonnen CO2-Ausstoß geführt, für die FIFA entwickeln wir gerade Kompensationsprojekte in Südafrika, dem nächsten WM-Gastgeberland. Da stehen wir gerade vor den Vertragsabschlüssen, gebaut wird wohl Anfang 2008. Wir investieren ja nur in sogenannte additionelle Projekte, die ohne das Kompensationsgeld nicht realisiert würden.

Der Standard: Um welche Beiträge handelt es sich im Schnitt?

René Estermann: Bei Flugreisen innerhalb von Europa bewegt sich das im zweistelligen Eurobereich. Eine Tonne Emission "kostet" in etwa 24 Euro.

Der Standard: Nun ergibt eine Beispielrechnung für eine Flugreise von Wien nach Mumbai und retour bei verschiedenen Anbietern aber ganz unterschiedliche Emissionen und Kompensationspreise. Bei www.carbonneutral.com kommt man bei dieser Strecke von rund 12.000 Kilometern auf 1,3 Tonnen CO2 und rund 18 Euro. Bei www.atmosfair.de ergibt dieselbe Strecke einen Ausstoß von 4080 Kilogramm CO2, die für 83 Euro kompensiert werden können. Und bei www.myclimate.org werden rund 2,7 Tonnen Emission errechnet, die für rund 66 Euro neutralisiert werden. Wie erklären Sie sich die doch beträchtlichen Unterschiede?

René Estermann: Die Unterschiede ergeben sich durch zwei Faktoren: Erstens durch die Projektqualität, in die investiert wird. Je höher diese ist, desto höher sind auch die Kosten. Zweitens durch den Rechner. Das ist ja keine exakte Wissenschaft, es gibt noch keine allseits anerkannten Zahlen, wie sich die Emissionen des Flugverkehrs auswirken. Jedenfalls ist der Effekt in der Stratosphäre höher als am Boden, der Schaden in der Luft also größer als am Boden. Dieser Effekt wird mit einem Faktor zwischen zwei und vier beziffert, entsprechend unterschiedlich ist das Ergebnis.

Der Standard: Im Unterschied zu anderen Anbietern kann man sich bei Ihnen auch Auto- und Haushaltsemissionen berechnen lassen. Warum?

René Estermann: Wir bieten generell Kompensationen an, weil Emissionen ja nicht nur durch Flugreisen entstehen. Allein der Straßenverkehr macht in Europa rund 30 Prozent der Klimagasemissionen aus.

Der Standard: Welche Projekte werden mit den Geldern Ihrer Stiftung finanziert?

René Estermann: Wir finanzieren Projekte in Afrika, Lateinamerika und Asien, zur Zeit z. B. Stromproduktion in einem Biomasse- Projekt in Indien.

Der Standard: Wo machen Sie dieses Jahr Urlaub?

René Estermann: Ich mache mit meiner Familie eine Fahrradtour von der Schweiz Richtung Schwarzes Meer.

(Tanja Paar/Der Standard/Rondo/19.4.2007)