Beleg für das, was man verdrängt: Die Aktivitätsuhr misst das Manko.

Foto: Standard/Matthias Cremer
Wien - Manches will man gar nicht wissen. Meist genau die Dinge, die man eigentlich wissen wollen sollte: Etwa wieso es im Backenzahn zieht. Oder unter welchen Arbeitsbedingungen die schicken Turnschuhe hergestellt werden. Oder ob man sich nur annähernd so viel bewegt, wie es Eltern, Lehrer und Gesundheitsapostel seit jeher predigen.

Antworten

Verantwortungsbewusste Menschen suchen deshalb Antworten. Auf Frage eins beim Zahnarzt. Auf die zweite bei Entwicklungshilfe- und Kinderschutzorganisationen. Und auf die dritte auf der "Aktivuhr" von Polar. Denn dieses am Dienstag präsentierte - und vom Standard vorab getestete - Gerät weiß auf die Sekunde genau, wie viel Zeit sein Träger tatsächlich im (physischen) Stillstand verbracht hat, wie lange er geschlendert, gegangen oder gelaufen ist - und was das in Kalorien und für die eigenen Bewegungsbilanz bedeutet.

Freilich: Derlei konnte man auch schon bisher ergründen. Das weiß man gerade beim Hersteller der "AW 200": Polar misst seit 30 Jahren Sportlern den Puls. Seit zehn Jahren dazu auch Geschwindigkeiten und Wegstrecken. Daraus Kalorien- und/oder Mobilitätsdaten zu berechnen, ist heute keine Kunst mehr. Allerdings nur dann, wenn der Proband eine Uhr am Handgelenk, einen Pulsmesser um die Brust und einen Bewegungssensor am Schuh trägt. Kein Problem bei motivierten Sportlern - aber ein bisserl viel Aufwand, um Bürositzern zu zeigen, wie schlapp und unbewegt sie zwischen Schreibtischjob und TV-Sofa wirklich leben.

Mit der knapp 200 Euro teuren AW 200 stößt der finnische Sportuhrenhersteller nun genau in dieses Segment vor: Der sonst am Schuh befestigte Trägheitssensor kam in die Uhr, auf Pulswerte verzichtet man - und nach ein paar Programmierknopfdrücken (Alter, Gewicht, Größe und Geschlecht) beginnt das Ding mit der individuellen Sitz- und Bewegungsberechnung.

Verheerende Bilanz

Mit - aus bewegungspäpstlicher Sicht - verheerend-ernüchternder Bilanz: Ein Büro-Halbtag von fünf Stunden beinhaltet etwa gerade einmal 36 Minuten Bewegung (3083 Schritte). Schlimmer: 31 Minuten davon werden gerade einmal im "Kriechtempo" bewältigt. Nur vier Minuten verdienen den Begriff "Gehen" - und obwohl es im Standard-Haus doch einige Treppen gibt, fressen fünf Stunden bei einem erwachsenen Mann schlappe 718 Kalorien. (Der Schokoriegel zwischendurch hat 300. Über das Mittagessen schweigen wir lieber.)

Abendtermine? Vier Stunden Lugner und Co. Mit Buffet. Aber auch inklusive Anreise und U-Bahn-Nachlaufen (18 Sekunden) sind das klägliche 55 Minuten im Nicht-Stillstand. Und nicht einmal die - um nicht ganz zu verzweifeln - am nächsten Tag mitgemessenen Wege zwischen Heim, U-Bahn und Arbeitsplatz können in einem Achtstundenfenster die Kalorienbilanz auf mehr als 1400 schnalzen (immerhin: Inklusive Hin- und Rückfahrt waren das eineinhalb Stunden "Bewegung", 70 Minuten halt "sehr langsam").

Fazit

Das Fazit ergibt sich aus den anderen Funktion der Uhr: In die sind nämlich auch Höhenmesser und Barometer eingebaut. Beides funktioniert deppensicher und einwandfrei - aber diese Features anzuwenden macht im Sitzen und im Büro einfach keinen Spaß. Dafür muss man dann an die frische Luft. Und sich wirklich bewegen. Und siehe da: Das tut nicht weh. Ganz im Gegenteil. Und für diese Messdaten muss man sich nicht einmal genieren. (DER STANDARD, Printausgabe, Thomas Rottenberg, 18.4.2007)