Google, Yahoo oder MSN prägen den Alltag von Millionen Menschen. Welchen Einfluss dies auf Kultur und Gesellschaft hat, ist aber allenfalls zu erahnen. "Im Gegensatz zu der großen gesellschaftlichen Bedeutung und der Macht der Suchmaschinen weist die Forschung Lücken auf, die es aufzuarbeiten gilt", stellen Marcel Machill und Markus Beiler in einem von ihnen herausgegebenen Sammelband fest.

Zentrale Selektions- und Vermittlungsfunktion

Suchmaschinen haben eine zentrale Selektions- und Vermittlungsfunktion für das Internet. Sie sind unentbehrlich, um die unermessliche Vielfalt an Informationen sowie nützlichen bis unterhaltsamen Anwendungen zu erschließen. Aber "Suchmaschinen verzerren auch die Wirklichkeit", wie die Wissenschafter am Lehrstuhl für Journalistik der Universität Leipzig feststellen. Zum einen erfassen sie nur einen Bruchteil der tatsächlich vorhandenen Webseiten. Zum anderen halten die privaten Betreiber die Formeln streng geheim, die darüber entscheiden, welche Ergebnisse einer Suchanfrage zuerst angezeigt werden.

Vier Faktoren

Die Qualität der Treffer ist einer von vier Faktoren, die der Hamburger Informationswissenschafter Dirk Lewandowski bei der Bewertung der Qualität einer Suchmaschine nennt – neben der Qualität des Datenbestandes, der Technik der angebotenen Suchfunktionen und der Gestaltung der Benutzerführung. Dabei stehen die Betreiber der Suchmaschinen vor dem Dilemma, dass sich die Nutzer meist auf die Eingabe eines einzigen Suchbegriffs beschränken, der aber vieldeutig sein kann: Ist bei der Suche nach "Jaguar" das Raubtier, das Auto oder eine Stahlwarenfabrik dieses Namens gemeint? Die Suchmaschinen behelfen sich damit, dass sie auf der ersten Seite der Trefferliste Ergebnisse zu jeder der möglichen Bedeutungen anzeigen.

Alter, Familienstand, Einkünfte, Hobbys und politische Ausrichtung

Auf der anderen Seite bringt das gezielte Ausreizen der Suchmöglichkeiten Informationen ans Tageslicht, die selbst Google-Chef Eric Schmidt lieber für sich behalten hätte: Die Informatiker Hendrik Speck und Frederic Philipp Thiele schildern, wie das Internet-Magazin CNet mit einer Google-Recherche nicht nur Alter und Familienstand des Managers, sondern auch dessen Einkünfte, Hobbys und politische Ausrichtung entdeckt hat. In den Möglichkeiten eines solchen "Suchmaschinen-Hackings" sehen die Wissenschafter Anzeichen für einen "Verlust der Privatsphäre durch die Macht der Suchmaschinen".

Journalismus und Suchmaschinen

Die Beiträge des Sammelbands zum Thema Journalismus und Suchmaschinen thematisieren allerdings weniger die Möglichkeiten der investigativen Recherche als vielmehr Gefahren für Themenfindung und die Konstruktion einer nur noch im Internet wahrgenommenen Realität. Am kritischsten äußern sich die beiden Schweizer Wissenschaftler Vinzen Wyss und Guido Keel, die unter anderem davor warnen, die ureigene journalistische Verantwortung für die Auswahl wichtiger Themen letztlich einem privaten Unternehmen zu überlassen.

Kein Super-Massenmedium

Denn Suchmaschinen sind kein Super-Massenmedium, sondern eher ein "Gatekeeper": Sie entscheiden als "Torhüter", welche Informationen man im Netz zu Gesicht bekommt und welche im Verborgenen bleiben. Um der damit verbundenen Verantwortung gerecht zu werden, plädiert der Direktor der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen, Norbert Schneider, zwar nicht für eine staatliche Kontrolle, aber für eine "weiche Regulierung": Die privaten Betreiber der Suchmaschinen sollten Auskunft geben zu acht Fragen, auf deren Antworten die Öffentlichkeit ein Recht erheben kann. Dazu gehört auch die Frage: "Wie entsteht das Ranking innerhalb eines Suchbegriffs?" (Von Peter Zschunke/AP)