Staatsoper für Kinder: Turbulente Fahrt durch opernhafte Träume.

Foto: Staatsoper
Wien – Die Geschichte, die da im Opernzelt der Staatsoper erzählt wird, mag der Erfahrungswelt heutiger Kinder entrückt sein: Allzu deutlich atmet das Kinderbuch Die Omama im Apfelbaum von Mira Lobe (von 1965) noch den Geist der entbehrungsreichen Nachkriegszeit. Nicht nur die durch höhere Lebenserwartung und Auflösung von Familienverbänden veränderte Bevölkerungsstruktur lässt die vom Wunsch des Buben Andi nach einer Großmutter getragene Handlung in zeitliche Ferne rücken.

Auch die Magie der guten Jause hat wohl ihren Reiz verloren. Kaum ein Kind unserer Zeit würde sich mit Zwetschkenkuchen hinter dem Ofen hervorlocken lassen. Ein weiteres, heute fast witzig anachronistisch wirkendes Objekt kindlichen Begehrens vor vier Jahrzehnten ist der als ungesund verbotene Kaugummi, der auf der Staatsoper gleich Anlass für eine überdimensionale Produktplatzierung bot.

Nun sind aber Märchen und ähnliche Stoffe derart realitätsresistent, dass sie sich vom Zeitbezug unabhängig wissen. Und Mira Lobe hat dem für Märchen typischen Wünschen unnachahmlich das Träumen zur Seite gestellt – ein Träumen, das zu verändern vermag. Denn nachdem Andi sich die Omama herbeifantasiert hat, wird er fähig, in einer realen, hilfsbedürftigen Dame eine Art Wahloma anzunehmen, die ihn in seiner Traumwelt ernst nimmt.

Theresita Colloredo hat diese Geschichte auf Musiktheaterformat reduziert, Komponistin Elisabeth Naske tief in die Affektschublade gegriffen und reale und erträumte Welt aus der Perspektive des Kindes plastisch illustriert: da die gequälte Atmosphäre zuhause, dort eine beschwingte, tänzerische Stimmung, wenn Omama Michaela Selinger aus dem multifunktionalen Apfelbaum (Bühnenbild: Marion Hofstetter) zum Vorschein kommt. Klingt dann fast wie Musical.

Die Oma-Wünsche

Lustig verfremdet werden die Instrumente, wenn Andi das erste Mal bei Wahloma Frau Fink (Waltraud Winsauer) zu Gast ist, um ihr Rheuma skurril hervortreten zu lassen. Und beim dreimaligen Lied vom Wunsch nach der Oma darf die quirlig-burschikose Laura Tatulescu (als Andi) auch einige Töne anstimmen. Simina Ivan als Mutter, Hans Peter Kammerer, der als Vater seine Ruhe haben will, doch sonst in mehrere Rollen schlüpfen muss, und Rey Alan Lacuin als Bruder Jörg sowie auch als beherzt für Lokalkolorit sorgender "Würschtelverkäufer" im Prater komplettieren das Ensemble.

Mit Schwung getragen wird das Werk von Dirigent Jendrik Springer und dem Bühnenorchester – die bunte Inszenierung von Rebecca Scheiner ließ der Fantasie noch Entfaltungsräume. (Daniel Ender / DER STANDARD, Printausgabe, 17.04.2007)