Gewiss, das eine oder andere Glas wird auch den Vortragenden die Zunge gelöst haben, gehört es doch zum Konzept des heuer zum neunten Mal vom Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich (ULNÖ) veranstalteten "internationalen Kulturenfestivals", dass Autoren Patenschaften für erlesene Wachauer und Kamptaler Weine übernehmen, die nach der Lesung von allen verkostet werden können: Buchkultur und Rebkultur in traulicher Harmonie.
Sommerrefektorium
Das Publikum zahlt für beide Genüsse getrennt. Wein getrunken wurde heuer erstmals im freskengeschmückten Sommerrefektorium (wo man auch sehr bequem Bücher gustieren konnte). Der Saal, in dem gut 250 Zuhörer an zwei Abenden den Lesungen lauschten, ist freilich dem Wasser geweiht: Die schmiedeeiserne Brunnenhaube neben dem Podium ziert einen Brunnen, den man im 16. Jahrhundert nach einer knapp gescheiterten Belagerung durch die Türken 80 Meter tief in den Felsen schlug. Die metaphorische Verbindung zu den Quellen der Tiefe bemühte denn auch der gastgebende Pater Justus. Tatsächlich zeigte sich das Publikum trotz Mammutprogramm und Weingenuss bis zum Schluss neugierig und konzentriert, wobei ein leichtes Rauschgefühl die Intensität des Hörerlebnisses ja durchaus zu steigern vermag.
Gläserklirren
Dementsprechend servieren die Veranstalter zwar nicht unbedingt schwer Verdauliches, aber Literatur von Gewicht (Thomas Stangl, Terézia Mora, Franz Schuh), garniert mit ein paar leichten Häppchen. Keineswegs calvinistisch streng präsentierte sich die Abordnung aus der Schweiz: Ilma Rakusa mit einem Plädoyer für die Stille, die sich durchaus mit Gläserklirren verträgt; Klaus Merz mit einem prägnanten Nachruf auf einen trinkfesten Jäger: "Ihr saht nur, was ich getrunken. Ihr kanntet nicht meinen Durst." Katharina Faber lieferte die Definition des Danach schlechthin: "‚Elegisch’ heißt auch: verschmiert vor dem Spiegel." Fabers Patenwein hieß "Zweigelt privat", von Thomas Leithner aus Langenlois, dem Urgroßenkel des politisch ebenso anrüchigen wie önologisch verdienstvollen Dr. Zweigelt. Der halbprivate Privatwein ähnelt dem Privatroman der Elfriede Jelinek: Im Dienste einer "ständigen Qualitätskontrolle" wird er vom Winzer vorzugsweise selbst getrunken.