Der Kleriker und seine Opfer: Gabriel Barylli (vorn), Ernst Stankovski und Jim Holderied (re.).

Foto: Bimashofer

Wien - Gerade noch wurde seine Auferstehung gefeiert, und schon hängt Jesus wieder am Kreuz, überlebensgroß im Prospekthof des Semper Depots. Erschöpft wacht er über seine (Publikums-)Schäfchen. Und bei dem, was er hier, in diesem durch Beichtstuhl und Kirchenbänken (als Zuschauersitze) glaubwürdig imaginierten Gotteshaus (Bühne: Andreas Mathes & Dieter Gebetsberger) zu hören kriegt, könnte selbst er zum alten Nietzscheaner werden, der da meint: "Gott ist tot."

Gott ist nämlich dann tot, wenn ein einsamer Kleriker zum Päderasten und wenn das missbrauchte Kind später selbst zum Täter wird: so skizziert in Felix Mitterers Stück Die Beichte, derzeit (bis 28. April) in einer Produktion des PopUp-Theaters von Zeno Stanek zu sehen.

Ein Mann (Gabriel Barylli) stürmt mit einem Knaben im Arm (Jim Holderied) auf die Empore, getrieben von der eigenen Schuld. Er hat sich an seinem Sohn vergangen. Die Beichte, die er ablegen möchte, bevor er dem Leben ein Ende setzen will, führt ihn zu jenem Pater (Ernst Stankovski), der ihn vor Jahren selbst sexuell missbraucht hat und der den Vorwürfen seines einstigen "Engels" mit obszöner Ignoranz und kirchenüblicher Negation entgegentritt ("Was soll denn so furchtbar dran sein?"). Das ist die grundsätzliche Schwäche in Mitterers Text, der sich zweifellos politisch korrekt zur vorherrschenden Realität (auch in Irland, der jetzigen Heimat des Dramatikers) verhält, aber nicht weiter als bis zum geballten Vorwurf reicht und deshalb als recht plättendes Meinungstheater versiegt.

Regisseur Michael Gampe hat neben notwendigen Kürzungen nicht viel anderes unternommen, als im gelungenen Zusammenwirken mit der Musik (Chorgesang unter der Leitung von Erke Duit) die bekannte Realität szenisch zu beglaubigen. Zwischen Beichtstuhl rechts und Marienaltar links kommt es zur Konfrontation zwischen Opfer und Täter. Am verwunderlichsten bleibt dabei die überaus bleierne Figur des alten Klerikers, der am Ende als bloß jovialer Chauvinist da steht, scheinbar losgelöst von den gravierenden Konflikten eines zölibatären Lebens. Da erscheint so manche Pater-Braun-Folge differenzierter.

Bemerkenswert gelingt es Gabriel Barylli, die innerliche Zerstörtheit des einstigen Opfers und jetzigen Täters nach außen zu tragen. Seine Figur wäre der Beginn des Ganzen. (Margarete Affenzeller / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.4.2007)