"Out Louder"

Foto: Emarcy / Universal

Es gab Jahre, da kam von John Scofield laufend abstraktes Material, der Gitarrist hatte es sich in den Regionen tonalitätsdehnender Skalen gemütlich gemacht. Natürlich auch da gelassen, denn "ich hasse es, wenn man bei Musikern das Gefühl hat, sie hätten zu viel gearbeitet. Davon halte ich mich fern. Es soll nicht nach Arbeit klingen, sondern ganz ohne Anstrengung rüberkommen." Man hatte jedenfalls ob der abstrakten Streifzüge fast vergessen, dass er ja vom Rhythm & Blues herkam, und als er plötzlich "A Go Go" herausbrachte, staunte man nicht schlecht - aber eigentlich zu Unrecht - über seine Fähigkeit, funkigen Background durch plötzlich auch zugängliche Linien smart und pointenreich auszulegen.

Charming: Gern ritt er da mitunter mit einer einzigen Note ewig auf dem Groove, glänzte durch eine improvisatorische Verschlafenheit, die in Wahrheit höchste Wachheit im Sinne des Ökonomismus darstellte. Scofield spielt nur, wenn er etwas zu sagen hat, und er braucht nicht viel, um sehr viel auszudrücken. An seiner Seite standen damals als Begleiter Medeski, Martin & Wood - Typen, bei denen Scofield, nachdem er sie gehört hatte, wusste, dass "ich mit ihnen spielen muss. Sie sind ernsthafte Konzeptualisten, sie können Musik zu den schönsten wie auch seltsamsten Plätzen tragen."

Ein paar Jährchen später, also jetzt, kann man auf "Out Louder" (Universal) wieder dieser Begegnung lauschen. Um zu verdeutlichen, dass hier ein Gleichgewicht der Musikkräfte herrscht, hat man sich allerdings Medeski, Scofield, Martin & Wood getauft - und tatsächlich ist hier nicht nur Scofield monologisierend zu erleben. Der Aphoristiker ist eingebettet in einen Klangkosmos mit seltsamen, zerfurchten Landschaften. Schummrig, verhatscht und bisweilen auch schrullig-deftig tönt es da.

Dass Scofield hier nicht verloren wirkt, hängt auch damit zusammen, dass er mittlerweile die Gitarre als Soundpinsel einzusetzen versteht, sich so beim kollektiven Arbeiten am Klangbild beteiligt, am Übermalen von Grooves. Auch direkter Soul- und Jazzfunk ist natürlich dabei, auch ganz witzige, kauzige Riffs. Hut ab vor so viel Leichtigkeit. Als Bonus-CD bekommt man noch ein paar Live-Eindrücke geschenkt. Ex-Kollege Mike Stern, der mit Scofield in der Miles-Davis-Band auf Geheiß des Bandleaders amikale Musikfights auszufechten hatte, bietet entschieden weniger Frische und Stilbewegung.

Auf "Who Let The Cats Out?" (heads up / Edel) sind in Jazzrock-Ambiente wieder jene paar tollen Soli, die man so eintrainiert hat, zu hören. Ein bisschen enttäuschend. Dann schon lieber John Abercrombie. Der Saitendenker ist nach wie vor mit Geiger Mark Feldman (Unjazzig phrasiert der Mann!) verbunden: Man durchwandert auf "The Third Quartet" (ECM/Lotus) eine verträumte Umgebung, durch Abercrombies produktive "Nervosität" erlangt das Ganze auch in Balladen Substanz. Klingt abstrakt, wie einst bei Scofield. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.4.2007)