Bulgari - Kollektion Cicladi

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Tank Francaise - Cartier

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Gran Prix - Marc-Jens Biegel

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Dome - Marc-Jens Biegel

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Die Geschichte mit der Brosche kennen in Norwegen viele. Eigentlich war es ja keine Brosche, sondern eine schlichte Büroklammer, die man sich zur Zeit der deutschen Besatzung an den Revers heftete. Ein höchst unauffälliger Schmuck wurde da in Oslos Cafés und Büros getragen. Dass sich die Geschichte mit der Büroklammer in Wahrheit als Detail des norwegischen Widerstandes entpuppte, raubt jeglichen Stilüberlegungen freilich die Substanz.

Die Büroklammer, eine Erfindung des Norwegers Johann Vaaler, diente damals als Erkennungszeichen nationaler Zirkel. Die Revers-Stilblüte, die die kleine Resistance der norwegischen Schreiber und Beamten einst trieb, ist heute denn auch eher historische Anekdote als Stilgeschichte. Aber dass industrielle Versatzstücke und die Suche nach neuen, zeitgemäßen Materialien seit der Ära des Jugendstils Schmuckmacher inspirieren, daran lassen sich bis heute wesentliche Schmuckmoden festmachen.

Zusammenspiel von Technik und Deko

Das zeigt bereits ein flüchtiger Orientierungsblick auf eher konservative, einem eher herkömmlichen Schmuckbegriff verpflichtete Hersteller, die den technoiden Look zumindest als bereicherndes Standard-Element im Sortiment führen – und mitunter sogar Kernelemente der eigenen Corporate Identity daraus ableiten. Dass sich Cartier einst von – damals durchaus positiv besetzten – Kettengliedern alliierter Panzer zu dekorativen Schmuck- und Uhrenelementen (Modell "Tank") inspirieren ließ, schrieb bekanntlich Edelmetallgeschichte – und zählt zu markanteren Designerbe-Details der Pariser Firmengeschichte. Intensives Augenmerk auf das Zusammenspiel von Technik und Deko legt man heute auch bei Bulgari: Der römische Juwelier, der mit der Gestaltung der 1999 erstmals lancierten "B. Zero 1"-Ringe die Liebe zur Spirale entdeckte, erinnerte sich in diesem Jahr des formalen Erbes seiner erfolgreichsten Kollektion – und lanciert eine interessante Erweiterung.

Sein italienischer Konkurrent Pomellato, an sich kein Hardliner in Sachen technischem Design-Purismus, möchte da nicht nachstehen: Bei der Serie "Narciso" werden überdimensionierte Kettenglieder zu prägenden Elementen, und bei der Kollektion "Echo" wird gar das in Seglerkreisen verbreitete Verbindungsstück des Schäkels in die Schmuckwelt eingeführt.

Kettenglied-Oval

Beabsichtigen diese Labels und Edeljuweliere ihren Auftritt bloß mit einem Schimmer von Maschinen-Ästhetik zu vergolden, so bestimmt das Bekenntnis zu technisch inspiriertem Schmuck das wesentliche Selbstverständnis einiger ausgewiesener Puristen. Ein Beispiel dafür ist der deutsche Hersteller Niessing, der als Pionier von Schmuck aus Edelstahl gilt, und das zeitadäquate Material zu geradlinigen, voluminösen Ringen verarbeitet – was etwaige kombinierte Steine besonders intensiv leuchten lässt. Dass man in der neu eröffneten Filiale in Taipeh heute ausschließlich Stücke aus der Niessing Stahlkollektion präsentiert, verweist auf diese konsequente Firmenphilosophie. Abwechslung verschaffen bei Niessing und geistesverwandten Mitbewerbern aber auch minimalistische Fingerübungen und nicht zuletzt aufwändiges konstruktives Entwurfsdenken. Stahl, Silber und Titan erzeugen etwa bei dem Berliner Carl-Friedrich Dau Minimalnuancen an Grautönen, während Branchenkollege Marc-Jens Biegel seit Längerem auf die Zusammenarbeit mit bekannten Produktdesignern und Architekten setzt.

Topdesigner wie Werner Aisslinger oder Konstantin Grcic zählen zu den Entwerfern, die dabei neue Wege im Schmuckdesign aufzeigen. Eine einfache Form – etwa ein überdimensioniertes Kettenglied-Oval – wird so zu einem Modul, auf das sich eine komplette Kollektion aufbauen lässt – die überdies den Verfallszyklen modischer Halbwertszeiten entgegensteuert (Grcics "Gran Prix"). Werner Aisslinger leitet das Modul, das seiner Kollektion "Dome" zu Grunde liegt, indessen gleich von Vorstudien aus dem Produktdesign ab. Das Resultat: Wabenähnliche Elemente ermöglichen – ähnlich wie bei individuell erweiterbaren Wandregalen – eine hohe Variabilität. Mit vergleichsweise geringem Materialaufwand lassen sich dabei sowohl Fläche als auch Volumen für Hals, Handgelenk und Fingerglied ableiten. Intimer gaben sich Mikroarchitekturen bislang noch nie. (Robert Haidinger/Der Standard/rondo/13/04/2007)